Böses Erwachen
Seit Mitte
Juli war ich auf Festivaltour und hatte zwischen den Blöcken auch nur maximal
zwei bis drei Tage, die ich zu Hause verbringen konnte. Dort war ich natürlich
mit familiären Angelegenheiten und dem Endspurt für die Fertigstellung meines
zweiten Buches, „Tantalos 2001“, ziemlich im Overload.
Mir ging das
Weltgeschehen gepflegt am Allerwertesten vorbei.
Auf den
Festivals selbst lebst Du eh in einer Parallelwelt, meistens mangels
Netzempfang sowieso völlig isoliert von allem anderen.
Soundcheck-Show-Changeover-Soundcheck-Show-Changeover
Das Ganze 9-mal
am Tag, dann duschen, Bier trinken, schlafen und da capo.
Gegessen wird
am Mischpult während der Arbeit.
Nun hatte ich
einen freien Tag im Hotel am Chiemsee, mit freiem W-LAN, viel Langeweile und
viel Zeit, die ich nutzte, um im Internet die Geschehnisse der letzten Wochen
abzufragen.
Das war ein
böses Erwachen.
Afghanistan,
Ägypten, Syrien, Gaza, Ukraine, Somalia und der Iran.
Was ist da
los?
In Syrien beschießen
Panzer Wohngebiete, der siebenjährige Sohn eines Islamterroristen hält den Kopf
eines Opfers in den Händen und Vati twittert dieses ganz stolz. Die Amerikaner
bombardieren ihre selbstgemachten Fehler weg und unsere Regierung plant im Voraus
sieben Militäreinsätze im Ausland. Gleichzeitig kritisiert man Sigmar Gabriels
Vorschlag, Waffenexporte zu verringern, als friedensgefährdend.
Überall
krepieren Unschuldige. Dabei geht es um wirtschaftliche Interessen oder Macht.
In der
Zukunft sehe ich da weder eine Lösung, noch eine Verbesserung.
Was können
wir tun?
Die Frage ist
eher, wozu wären wir noch im Stande?
Unsere Jugend
hat heute keine Vorbilder aus Fleisch und Blut. Früher waren es Nelson Mandela,
Frank Elstner, Mutter Theresa, Albert Einstein, Jesus Christus oder auch Sid
Vicious, doch das ist vorbei.
Unter den
jetzigen Politikern findet sich nur personifizierte Korruption und Unverständnis
für die Jugend. Genauso im Sport.
Sogar Helmut Kohl gab es mal als Poster Boy. Angela mag ich mir als Ausklappbild echt nicht
vorstellen.
Es sind Marken, die heute regieren. Diese Marken
vermitteln unseren Kindern Status, Ansehen und legen Hierarchien auf dem
Schulhof und in der Stammdisco fest. Marken
transportieren bei den Kindern und Jugendlichen Emotionen, Träume und bedienen
auch Defizite. Ablehnung und Minderwertigkeitsgefühle werden scheinbar von Marken kompensiert.
Das
funktioniert aus zwei Gründen.
Zum einen,
weil ganz gezielt Werbung für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen
gemacht wird. Mit 15 Jahren bestimmen die Hälfte der Jugendlichen über ihr
Aussehen, mit 16 schon 80 Prozent.
Hier wird ein
Markenbewusstsein geschaffen, denn
mit 25 Jahren erfordern Marken, die
ihnen nicht geläufig sind, den fünffachen Werbeaufwand.
Hier kommen
wir indirekt zum zweiten Grund, der Medienerziehung.
Ungeschützt
in einem wirtschaftlichen Überwachungsstaat prasselt alles auf die Kinder und
Jugendlichen nieder, was sich die Konzerne ausdenken, um künftige Käufer zu
rekrutieren, denn nichts anderes ist unser Nachwuchs für die Wirtschaft.
Wer von den
Eltern vermittelt denn seinen Kindern noch echte Werte? Wer regelt denn die
Medienzeit altersgerecht und hinterfragt Inhalte, mit denen seine Kinder konfrontiert
werden?
Es gibt sie,
aber es sind zu wenige.
Letzten Endes
leben wir hier in einer Wirtschaftsdiktatur und haben nicht zu melden.
Aber man
sollte sich einmal klar machen, dass unsere Kinder, auch wenn sie nicht so wie
fast überall auf der Welt um uns herum, übel verrecken, sie dennoch Opfer
darstellen.
Zum einen die
Opfer unserer eigenen Ignoranz, sich nicht zu wehren gegen die Einflussnahme der
Wirtschaft.
Zum anderen
aber auch die Opfer des Unterganges der menschlichen Werte.
Und wir sehen
dabei zu. Oder schauen Promi BB. Mit Schill, dem Arschloch.
Das gibt
wirklich nochmal ein böses Erwachen.
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