Donnerstag, 29. Dezember 2016

Danke, Kolumbus

„Hey, was ist los mit dir? Was machst du hier?“

„Oh, hallo. Du bist bist es. Äh…“

„Was machst du hier?“

„Wieso? Ähem. Du bist doch...?“

„1539. Aber das tut nichts zur Sache. Wir kennen uns nicht persönlich. Aber ich weiß, wer du bist. Und heute ist der 29. Dezember, mein Lieber!“

„Mir egal.“

„Was?“

„Es ist mir egal, du Arschloch! Scheißegal ist mir das! Ich kann es nicht mehr hören!“

„Was kannst du nicht mehr hören?“

„Die ballern sich weg mit Alkohol und Drogen, ja? Irgendwann sagt die Pumpe dann: Tschüssikowski, du Idiot, ja? Und wer ist schuld? Ich! Davon habe ich die Schnauze voll!“

"Aber Roger Cicero war wohl kaum so ein Kandidat."

"Sterben gehört  zum Leben wie der Schatten zum Licht, du Naivling! Leben ist Glückssache."

„Aber wir haben trotzdem erst den 29. Dezember, du Jammerlappen!“

„Was willst du von mir, 1539? Was war denn bei dir so los? Hä?“

„Aber…“

„Nichts war los bei dir! Nichts! Heinrich der Fromme wurde Herzog von Sachsen! Ha!  Weißt du was bei mir in Sachsen so los war? Über 600 Anschläge auf Flüchtlingsheime. Zig Übergriffe auf Unterstützer und Helfer in Flüchtlingsunterkünften. Diese elende Partei der blauen Krawatten-Nazis zieht in sämtliche Parlamente ein, feiert Wahlerfolge mit zweistelligem Ergebnis. Man könnte meinen, Honecker hätte das Kollektiv-Gehirn der Ossis mit ins Grab genommen. Und alles bei mir, verstehste?“

„Nicolas Carew.“

„Hä?“

„Die haben Nicolas Carew wegen Verschwörung gegen Heinrich den Achten 
hingerichtet. Exeter.“

„Na und?“

„Von wegen, es war nichts los im Jahre 1539. Die Carta Marina ist übrigens auch mein Ding.“

„Alter, ich wurde dafür symbolisch verbrannt, in die Luft gesprengt, ersäuft und zerfleddert! Die Leute hassen mich. Dabei kann ich doch nichts dafür, dass er da oben Menschen jenseits der 70 schon mal abnippeln lässt. Überhaupt! Für alles, was irgendwelche armen Loser im Leben verkacken, muss ich herhalten? Ich bin derzeit der „Jack the Ripper“ für Promis. Die Spanische Grippe für Künstler und…“

„Hey, geht es noch?“

„Wer bist du denn?“

„Ich bin 1918. Und das sind 1919 und 1920.“

 „Die Spanische Grippe ist unser Ding.“

„OK, sorry. Sollte nur eine Metapher sein.“

„Du bist 2016, stimmts? Arme Sau.“

Danke, aber ich brauche euer Mitleid nicht. Die können mich jetzt mal gepflegt am Arsch lecken. Ich gehe nicht zurück. Die sind alle so feist, degeneriert und verblödet! Dass sie ihre Unzufriedenheit auf mich spiegeln müssen, ist nicht mein Problem!“

„Ach, der feine Herr Freud, oder was?“

„Freud ist meiner!“

„Schnauze 1939! Die Menschen sind so bekloppt, dass sie gar nicht meine wahren Probleme erkennen. Soziale Ungerechtigkeit, Not, Elend, Krieg und das Erstarken des Nationalismus. Überall nur Populisten am Drücker…“

„Ach, dann wende ich mich wohl besser direkt an 2017, oder wie soll ich das interpretieren?“

„Halt dein Maul, 1933! Wir dachten alle, du wärst für immer verschwunden!“




„Dankeschön, 1918. Du weißt ja auch, wovon du sprichst.“

„Aber es sind schon schlimme Sachen passiert bei dir. Brexit, Trump, Syrien, ISIS, Mario Barth…“

“Trump. Toll. Soll ich jetzt auch rumnölen: Danke, Kolumbus? Da kann ich doch nichts dafür! Die Menschen hatten doch schon vorher alles gesät, was sie nun ernten. Nicht nur in Amerika. Auch in Europa. Auf der ganzen Welt werden seit Jahrhunderten die Ärmsten ausgebeutet. Damit wenige im Reichtum ersticken. Wenn es keinen schert, wie es dem Anderen geht, wenn Empathie und Menschlichkeit dem Konsum und den Interessen von Lobbyisten weichen, ist es eigentlich für alles zu spät. Das liegt nicht an mir. Das ist Zufall.“

„Soll ich da mal ran?“

„Danke, 600-nach-Noahs-Geburt. Aber ich denke, wir kommen ohne dein Wasser-Dings klar.“

„Aber du musst zurück. Es ist erst der 29. Dezember. Wenn der Alte das spitzkriegt, fliegst du raus.“

"Witzbold. Wozu denn? Was soll ich denn machen? Es ist doch eh alles meine Schuld.“

„Mach doch mal etwas Gutes. Auch wenn es nur im Kleinen passiert und keiner es mitbekommt. “

„Schenke den Menschen Zeit. Das ist deine einzige Aufgabe. Unsere Aufgabe. Was die Menschen dann mit ihrer Zeit anstellen, das können wir nicht beeinflussen.“

„Isso.“













Samstag, 12. November 2016

Klassenkrampf

Klassenkrampf…

Einer meiner größten Fehler in letzter Zeit war, dass ich diese verdammte Politik, sei es hier bei uns oder im Ausland, zu persönlich genommen habe.

Keiner trifft politische Entscheidungen gegen seine persönlichen Interessen. Jeder entscheidet aus seiner eigenen Perspektive.

Was ist gut, was ist böse?

Wenn ich den Golden Retriever aus dem Tierheim beim nächsten Hof-Fest auf den Grill werfe, wird das sicher nicht gut ankommen, auch wenn es nett gemeint war.

In China, Vietnam oder Korea hätte man sich höchstens über die vergammelte Milch beschwert. Wir nennen es Käse. Alles ist Ansichtssache.

Hätte ich Trump gewählt, wenn ich in den USA leben müsste? 


Bestimmt würde ich mich über chinesisches Essen freuen, wenn ich nur den üblichen Ami-Fraß vorfände. Aber Hunde würde ich trotzdem nicht essen. Oder doch? Es käme darauf an, wie die Alternativen aussähen.

Option Trump

Ein rassistisches Arschloch, frauenfeindlich und dumm. Inkompetent und populistisch. Ein arroganter, narzisstischer Querkopf, der von Vernunft genauso verschont blieb wie von Empathie.

Die Republikaner, seine Partei, die schon ohne einen Psychopathen wie Trump noch unwählbarer scheinen als unsere CSU / AfD. 


Ausschreitungen von dummen Rassisten und anderen Trump –Anhängern beweisen schon am Tag nach der Wahl, dass die Fans ihr Vorbild sehr ernst nehmen. Ein moralischer Kurzschluß.

So gesehen ist ein Kreuz bei diesem intelligenzreduziertem Universal-Phobiker zunächst undenkbar.

Manche würden eher Satan wählen, andere sehen da keinen Unterschied.

Option 2 Hillary Clinton

Der Name Clinton hinterlässt durch die Präsidentschaft ihres Göttergatten nicht nur bei Monica Lewinsky einen fahlen Geschmack im Mund. 

Nachdem der letzte ernst zu nehmende Kandidat der Demokraten während der Vorwahlen von der Kriegsindustrie abgesägt wurde, blieb eine Dame zurück, die neben ihrer Erfahrung vor allem ein Netzwerk aus alten Kriegstreibern und Lobbyisten vorzuweisen hat.
Nachdem sie den Libyenkrieg verkackt hatte, zog sie sich ins Privatleben zurück. 
Wäre sie da nur geblieben.



Clintons Politik steht für Aufrüstung, außenpolitische Sanktionen, Flugverbotszonen, die einen bewaffneten Konflikt garantieren und die hohe Wahrscheinlichkeit, mit Russland in Zustände des kalten Krieges zurückzufallen. Am liebsten wäre die Hexe schon in der Nacht des Sieges in Moskau einmarschiert.

Erfolgreicher vermag bei uns nur die AfD, die Uhr zurückzustellen.

Ich weiß wirklich nicht, wen ich gewählt hätte. Aber ich weiß wie: Ich hätte FÜR meine Familie gewählt. Ich hätte so gewählt, dass ihre Sicherheit am besten gewährleistet wäre.

Nur die Lebensumstände spiegeln die Entscheidungen jedes Einzelnen. Nichts mehr und nichts weniger.

Wer sich für Trump oder die AfD entscheidet, wählt rassistische Wichser, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass er selbst ein Rassist oder Neonazi ist.

Welche idiotische Denke oder welche dummen Umstände zu seiner Entscheidung geführt haben, sie sind allesamt zu individuell, um sie pauschal mit einem FUCK OFF SCUM! abzuschmettern.

Wie hätte ich gewählt?

Gegen die Unmenschlichkeit eines Trump oder gegen die Wahrscheinlichkeit eines Weltkrieges?

Keine Ahnung. 
Ich sollte mich besser mit der nächsten Bundestagswahl befassen.

Was auch für uns in Europa gilt:

Wahlen bestimmen nicht unser Gemüt. Sie bestimmen nicht unsere Einstellung.
Wahlergebnisse haben keinen Einfluss auf unsere Toleranz, unsere Gesprächsbereitschaft und unsere Empathie. Alles kommt von uns selbst.

Am wenigsten bestimmt die Politik unsere Vernunft.
Nein. Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein.

Ist es aber nicht. Es ist Angst.


Und das macht mir Angst: Dass die Angst unser Handeln bestimmt.

Es gibt eine Kluft in unserem Land. Aber die lässt sich nicht durch Hass oder Intoleranz und Unverständnis beseitigen.

Wer andere wegen seiner Fehler stigmatisiert, wird weder Erkenntnisprozesse noch Lösungen hervorrufen. 

Wir müssen das tun, was die Regierungen der letzten Jahrzehnte vergessen haben: Brücken bauen. Aufklären und eine friedliche Haltung repräsentieren.
Das entzieht den Arschlöchern und Rattenfängern die Energie. 

Meidet die hetzerischen Medien auf allen Seiten des politischen Spektrums.



Die Welt ist nicht besser oder schlechter als vor 50 Jahren. 
Es kommt uns nur so vor, weil wir nicht bestimmen können, was uns vorgesetzt wird.

Aber wir bestimmen selbst, wie wir uns verhalten.

Und was wir unseren Kindern beibringen.
Gebt nicht auf.
Seid lieb. 
Bitte.


Samstag, 14. Mai 2016

Hätte, hätte, Fahradkätte...

Hätte, hätte, Fahrradkätte…


Viel passiert. Nicht viel Gutes. Vielmehr Schlechtes.

Währenddessen wartete ich auf lustige Dinge, über die ich einen Blog verfassen könnte.

Vergeblich. 

Das Zeitgeschehen nährte meine Wut und erstickte jegliches Aufflackern von Humor.

Über das, was mich ankotzt, hätte ich jeden Tag zwei Blogs schreiben können.

Ich hätte darüber geschrieben, dass wir zwar die schlechteste Regierung seit Bestehen der BRD besitzen, aber immerhin das Glück haben, diese abwählen zu können.
Nachdem man sie vorher sogar ungestraft öffentlich kritisieren durfte. 103-prozentig.

Ich hätte dabei erwähnt, welches Geschenk diese Freiheit darstellt, während wir immer mehr umzingelt werden von Europäischen Nachbarstaaten, in denen der Faschismus wächst wie Fußpilz zwischen den Zehen eines Bademeisters.

Natürlich hätte ich mich über Eines gewundert, da schon mehr als ein Jahr vergangen ist, seitdem arme Menschen vermehrt bei uns Zuflucht suchen.

Wann setzt denn nun die islamisierende Apokalypse ein, vor der unser rechter Abschaum seit 12 Monaten warnt, während er die Fußgängerzonen und Marktplätze der „neuen Bundesländer“ mit seinem armseligen Anblick schändet?

Wo und wann werden wir genau überrollt? Überflutet? Entmachtet?
Sollten wir nicht doch Obergrenzen für Flüchtlinge einführen?
Aber man muss es dann anders formulieren.

Nicht: Wie viele Flüchtlinge lassen wir in unser Land?

Es muss dann heißen: Wie viele Menschen lassen wir diesen Monat sterben?





Nicht der „Investitionsbedarf an Rüstungsgütern“ ist gestiegen, ihr Arschlöcher von der Waffenlobby und Rüstungsindustrie.

Ihr habt schlicht und ergreifend mehr Waffen verkauft als im Vorjahr, ihr Wichser!
Mehr Tod und Verderben über die Schwächsten gebracht.

Alles legal.

Nicht nur Wut auf die Justiz wäre ein Thema gewesen.

Auch Zweifel hätte ich gehabt.
Zweifel an einer Justiz, die ihren höchsten Skill beim Vertuschen und „unter den Tisch kehren“ findet.

Von NSU bis Love Parade zeigte sich, dass eine Krähe der anderen kein Auge auskratzt.

Bei brennenden Flüchtlingsunterkünften, für die erwiesenermaßen vorbestrafte Neonazis verantwortlich sind, findet sich kein fremdenfeindlicher Hintergrund, während Zivilcourage auf einer Demonstration gegen die AfD dir stante pede eine polizeilich dokumentierte Mitgliedschaft bei den Linksextremisten einbringt. Machen die Bullen gerne. Noch leidenschaftlicher knüppeln sie den Nazis den Weg frei.




Ich hätte einiges zu sagen in Bezug auf Alltagsrassismus. Aber diese Lady hier kann das viel besser:


Ich hätte nie gedacht, dass so viele Leute in meinem Bekanntenkreis zu AfD–Recken mutieren würden, aber gegen Dummheit kann man sich nicht impfen lassen.

Wenn auch nur die geringste Chance bestanden hätte,  dass diese armen verirrten Schweine an einem echten Dialog Interesse hätten, oder zumindest nur zuhören würden, dann hätte ich sie gewarnt.

Wer einer Partei wie der AfD oder NPD vertraut, wird am Ende genau das bekommen, wovor er sich am meisten fürchtet.

Bei ihrer geballten Ignoranz gegenüber Argumenten muss ich Menschen mit einer derartigen Gesinnung für ihre Dummheit verachten.

Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.

Übrigens: Selbst wenn es keinen einzigen Flüchtling in Deutschland gäbe, wären diese untervögelten Neofaschisten, die gerne ganze Busse voller Frauen und Kinder zusammenbrüllen und Häuser abfackeln, dieselben dummen Versager, die sie auch heute sind.

Ich hätte mich auch über manchen Skandal gewundert. VW gerät in Not, weil sie betrügen? Die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg wird einem renommierten Unternehmen zum Verhängnis?   

Es war vielleicht das einzige Ereignis mit hohem Entertainmentfaktor. 
Nach und nach poppt ein Fenster nach dem anderen auf, wo eine Automarke nach der anderen mit ähnlichen Verfehlungen wie VW den Konsumenten betrügt. 

Während auf deutschen Autobahnen vierzig Jahre alte Lastwagen zu Dumpingpreisen, die jeden seriösen Spediteur in den Ruin treiben, ungestraft ihr Heizöl in die Natur ballern, wird Volkswagen zum Volksverräter. Wegen ein paar Milligramm Feinstaub mehr…

Wie gerne hätte ich darüber gelacht.




Gut, dass es noch die gibt, deren Mission es ist, uns zum Lachen zu bringen.

Chris Tall?

OK. Der nicht. Solche Typen wurden früher auf der Schule immer in der Pause verprügelt.  Auch eine spezielle Art von Humor. Ähnelt eigentlich seiner eigenen.

Aber das Leben schreibt immer noch die besten Skripts.

„Promiboxen“ im Savoy. Da habe ich gelacht. Endlich bekommt der mal was vor das Schienbein. Für beide Seiten bestimmt befreiend. Ist der Ruf erst ruiniert, ist doch jede Presse affirmativ. Herrlich. Der schlechte Ruf nutzte  auch hinterher jeden Kadaver, um seinem schlechten Ruf gerecht zu werden.

Ach wie schön ist auch Panama. Auch wenn man noch nie dort war, sollte man da zumindest einen Briefkasten besitzen, sofern man Kohle hat. Oder ein Berufsverbrecher ist. Das Geldinstitut deines Vertrauens hilft gerne. Auch als Bank muss man immer an seinem schlechten Image arbeiten. Da fragt man sich: Sind die Banken noch zu retten? Leider ja. Und das kostet dann richtig Geld. 

Davon könntest du 100 Millionen Flüchtlingen Unterkunft, Verpflegung und eine Prime-Mitgliedschaft bei Amazon zukommen lassen.

Und dann kommen Tiger und Bär und lassen den Laden hochgehen. Danke, Janosch. Mal gespannt, was da noch ans Licht kommt.  Womöglich gibt es korrupte Politiker?

Apropos. Ich hätte fast jeden Tag einen Blog über Seehofer, Söder und die CSU schreiben können. Seit dem „Zauberberg“ von Thomas Mann hat man nicht mehr so ein Schmierentheater inmitten von Krankheit, Wahnsinn und menschlicher Verfehlung in einer in sich abgeschotteten Parallelwelt erlebt. Beim „Zauberberg“ hatte ich allerdings mehr Mitleid mit den Beteiligten. Und den Lesern.




                                   Hätte, hätte, Fahradkätte…


Damit der Blog nicht völlig vergeblich ist, hier noch ein Witz:

Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Lutz Bachmann 
treffen sich zufällig vor der Semperoper.

Merkel fragt: „Wer ist denn das Arschloch?“

Da sagt Bachmann: „Der Vizekanzler.“








Donnerstag, 31. März 2016

Solis Defectus

Man sagt ja, es wäre grundverkehrt, von der Browser-History eines Schriftstellers Rückschlüsse auf seinen Geisteszustand zu schließen.
Sicherlich ist das, was unsereins so googelt, manchmal grenzwertig.

deshalb ist es nicht verwunderlich, was dabei herauskommt, wenn ein Heimatverein mich bittet, eine Kurzgeschichte für eine Anthologie zu verfassen, die verschiedene kulturelle Förderobjekte zum Thema hat.

Meins war ein Elektroboot.

Die Anthologie "Grafschafter Geschichten" ist sehr schön geworden.

Viele geile Geschichten von netten Kollegen.   Ich habe bei dem Schreibprojekt viel gelernt, übers Schreiben und über meine Grafschaft. 
Mit vielen Kollegen habe ich seitdem regen Kontakt. 
Auch wenn mein kleiner Beitrag etwas... hervor sticht

Seht selbst.




Solis Defectus

Begleitet von einem stattlichen Lärmpegel entfernte sich die „Vechtesonne“ vom Anlegesteg am VVV-Turm. Während sie selbst geräuschlos durch das Wasser glitt, schwoll das Gejohle der 27 zumeist angetrunkenen Passagiere in Volkers Wahrnehmung mit jedem Meter Fahrt zu einer Kakofonie des Irrsinns an.
„Atemlos…durch die Nacht!“, brüllte ein älterer Herr zum gefühlten vierzigsten Mal. Volker hätte ihn am liebsten mit dem Feuerlöscher zum Schweigen gebracht.
„Ah…ha, aha…“, stimmte der Chor der Blöden ein. Die spärliche bunte Beleuchtung am Boot war die einzige Lichtquelle, während sie eher grölend als atemlos durch die Nacht trieben.

Seit der Jungfernfahrt am 26. April 2001 war Volker Möbius Steuermann auf der „Vechtesonne“. Damals war er gerade einundzwanzig Jahre alt gewesen, arbeitslos seit dem Schulabgang, und hatte sich mit viel Engagement und großen Hoffnungen an dem Projekt um den Elektro-Katamaran beteiligt. Und nun, dreizehn Jahre später, hatte er wie aus dem Nichts die Kündigung erhalten. Heute Nacht steuerte er zum letzten Mal „sein“ Boot.
Plötzlich stand einer der Gäste auf und schmiss seine Bierdose in die Vechte. Da es sich um die sogenannte Mondscheinfahrt handelte, welche stets um 22.00 Uhr begann, lag Nordhorn, die Wasserstadt, praktisch im Dunkeln. Tagsüber hätte der Mann kaum die Frechheit besessen, sich auf diese Art seines Abfalls zu entledigen. Grob packte Volker den Übeltäter am Kragen: „Noch einmal so eine Aktion und du gehst baden, mein Freund. Gelbe Karte, verstehen wir uns?“
Volker war fast zwei Meter groß und seine Erscheinung vermochte die meisten davon zu überzeugen, sich besser nicht mit ihm anzulegen. Ein Sänger weniger.

Er hasste diese nächtlichen Bootstouren. Er verabscheute auch den Alkohol, der aus normalen, netten Menschen Monster machen konnte, die sich nicht mehr benahmen und bei diesen Touren den umliegenden Anwohnern bei zotigen Sprüchen schamlos in die Häuser schauten.
Die Vechtesonne bog ab in den gleichnamigen See. Wie in einem schwarzen Spiegel folgte dem Boot auf der Wasseroberfläche seine verzerrte Kopie.
Ein Lächeln zeichnete sich nun auf Volkers Gesicht ab, denn er musste an Silke denken. Sie war seine erste große Liebe gewesen, doch lange hatte die Beziehung nicht gehalten. „Das Ende ist immer das Schmerzhafteste an der Liebe“, dachte Volker. Erst kürzlich hatte er sich von Tanja trennen müssen. Ein bisschen vermisste er sie sogar. Sie besaß die hübschesten Ohren. Aber auch hier war er es gewesen, der Schluß gemacht hatte. Seine Mutter hätte es ihm vorher prophezeit.
Mechanisch steuerte er das Boot in den Vechtearm an der Kornmühle - parallel zum Püntendamm. Die Passagiere hatten den kleinen Zwischenfall mit dem Dosenwerfer absorbiert wie ein Schwamm einen einzelnen Tropfen Wasser. Die Stimmung war wieder gut. Volker war es eh egal. Die letzte Fahrt. Die letzte Schuld, die er zu erfüllen hatte.
Sie näherten sich einer Brücke, die in der Dunkelheit schwer zu erkennen war. Volker erhob seine Stimme. „Vorsicht. Sitzen bleiben. Hier wird es wieder eng. Nicht den Kopf stoßen“, warnte er. Plötzlich hörte er wieder das Geräusch, als der Hammer Silkes Schädel durchbrach. Hier unter dieser Brücke hatte er sie im Wasser versteckt. Es war gar nicht so leicht gewesen, sie später wieder heraus zu bekommen, um sie endgültig verschwinden zu lassen. Aber es war ja auch sein „erstes Mal“. Danach verging fast ein Jahr, bevor er sich wieder verliebte.

Hastig nahm ein junger Mann den Platz neben ihm ein. Als er saß, gab er den Blick auf seine hübsche Begleiterin frei. Helle Haut, dunkle Haare. Ihre wilden Locken reichten bis zum Kinn. Er versuchte, ihren Geruch aufzufangen. Ihr Profil erinnerte ihn an die bösen Feen aus den Geschichten seiner Mutter. Mächtige, gefährliche Wesen. Aber auch sie konnten bluten.
Der Mühlendamm. Es war nun richtig finster. Links befand sich der Stadtpark, rechts hatten die Anwohner gewohnheitsgemäß ihre Häuser verdunkelt. Schlagartig verstummten die Gespräche der Passagiere. Die Straßenlaternen am angrenzenden Radweg waren der einzige Hinweis auf die Stadt in der Dunkelheit. Volker dachte an sein kleines Boot, das er hier in der Nähe versteckt hielt. Gerne würde er es der dunklen Fee links neben ihm einmal zeigen. Sie war perfekt für das, was heute noch getan werden musste.

Die dritte Frau hatte er nach weiteren drei Monaten angesprochen. Er hatte sie einmal zum Essen ausgeführt und dann zu Hause zerstückelt. Mit seinem kleinen Boot hatte er die künstlich beschwerten Kunststoffbeutel auf dem Vechtesee seinem Verhängnis geopfert. Damit man ihn verschonte.
Hinter ihm unterhielten sich zwei ältere Frauen. Aus ihren leicht belegten Stimmen schloss er, dass sie betrunken waren. „Da hinten war es, wo sie die Frau aus dem Wasser gezogen haben, ne?“ Seine Tanja. Karabossa wollte sie nicht. Spie sie wieder aus. Und er musste immer noch seine Schuld begleichen. Die letzte Chance. „Oh ja. Ich habe es gehört. Man hat ihr die Ohren abgeschnitten. Aber ich habe es nur gehört.“ „Nee, es stimmt. Im Fernsehen habe sie die Ohrringe gezeigt. Richtig dicke Klunker.“
Eine Beziehung endet manchmal in einer Sackgasse. Aber man behält gerne etwas als Erinnerung. Automatisch fuhr seine Hand in die linke Hosentasche, fühlte das nicht mehr ganz so frische Souvenir. Sie lebte noch, als sie ihm ihr Geschenk gab. Plötzlich traf ihn etwas am Kopf. Bier lief ihm über das Gesicht, vor Schreck zog er seine Hand aus der Tasche. Dabei fiel etwas heraus, direkt vor die Füße der beiden Frauen. Sie befanden sich auf Höhe der Ochsenstraße, wo zahlreiche Häuser zur Flussseite hin hell beleuchtet waren. Der große Aquamarin reflektierte verräterisch das Licht.
Reflexartig bückte sich eine der Frauen und hob das verschrumpelte Ohr mit dem großen Edelstein auf. Dann schrie sie panisch los. Der nachtragende Passagier, der seine Dosen normalerweise im Wasser versenkte, sprang über die etwa einen Quadratmeter großen Solarzellen auf dem Bug des Bootes herüber bis zum Ruder. „So du Hund. Hast du die Frau belästigt?“ Volker stand blitzschnell auf, und eine Sekunde später sprudelte dem wildgewordenen Passagier ein dunkler Strahl Blut aus dem Hals. Nun brach Panik aus.
Volker schubste den sterbenden Mann ins Wasser, wobei der Körper einen breiten roten Streifen auf den hellen Bootsrumpf zeichnete. Seine tödliche Klinge behielt Volker in der rechten Hand. Seine Gedanken überschlugen sich, aber es gab kein zurück. Das war das Zeichen.
„Alle runter von meinem Boot!“, brüllte er, während schon die ersten Leute in die Vechte sprangen.
Auch das dunkelhaarige Mädchen, das ihm so gefiel, stand auf. Doch er packte sie mit der freien Hand, zog sie an sich und hielt ihr das Messer an den Hals. „Du nicht. Du bleibst hier“, zischte er, wobei er ihrem Begleiter direkt ins Gesicht starrte. Dieser schien zu verstehen und sprang wortlos ins Wasser. Immer mehr Menschen folgten diesem Beispiel. Sie stürzten sich von Bord, die meisten verließen die Vechte in Richtung Schweinemarkt. Innerhalb kürzester Zeit waren Volker und die junge Frau alleine auf der Vechtesonne.
Sanft drückte er seine Geisel auf einen Sitz. Als ob nichts geschehen wäre, hob er das abgetrennte Ohr seines letzten Opfers vom Boden auf und steckte es in die Hosentasche zurück. Dann lächelte er: „Schöner Stein. Den anderen habe ich im Fluss verloren. Hat sich der Nöck geholt.“ Er sah ihren ratlosen Gesichtsausdruck und setzte zu einem Sing-Sang an: „Nöck, Nöck, Nadeldieb. Du bist im Wasser, ich bin an Land. Nöck, Nöck, Nadeldieb. Ich bin im Wasser, du bist an Land.“
Die Frau zitterte vor Angst. Sie schien kurz vor dem Zusammenbruch zu stehen. „Brauchst keine Angst haben. Der Nöck hat sein Opfer schon bekommen.“ Er lächelte irre und zeigte auf die Blutschlieren auf dem Bootsrumpf. „Nimm dich lieber vor den bösen Feen in Acht. Das ist die Zeit von …“ Er machte eine Pause und flüsterte dann: „…Karabossa.“
Volker hielt immer noch die blutverschmierte Klinge in seiner Hand. Ein finnisches Filiermesser von Marttiini, 19 Zentimeter lang. Höllisch scharf. Er trug sie stets in einer Lederhülle bei sich. Die Vechtesonne war gerade mit Höchstgeschwindigkeit unter der Brücke an der alten Synagogenstraße durchgefahren, da nahm die junge Frau all ihren Mut zusammen: „Hören Sie, sehen sie das Blaulicht und das alles? Die ganzen Leute? Sie haben doch keine Chance. Selbst, selbst … wenn Sie mir etwas tun. Das bringt doch nichts. Lassen sie mich gehen. Bitte! Ich …“
„Nein!“, brüllte Volker. Er ließ das Ruder los, stoppte den Motor, drehte sich um und kam bedrohlich auf sie zu. Das Messer hielt er weiter in der Hand. „Nein“, wiederholte er. „Ich kann nicht. Wenn ich dich gehen lasse, kommt sie und holt mich an deiner Stelle. Du gehörst jetzt ihr.“

„Aber nein. Niemand gehört jemandem. Auch ich nicht. Ich bin Christiane Weber. Und ich gehöre nur mir.“ „Sei still. Sie wird sonst nur ärgerlich!“ Christiane fing wieder an zu weinen. Während ihr Tränen der Verzweiflung über das Gesicht kullerten, brachte sie nur noch ein heiseres „Wer ist sie?“ hervor. Volker kam ganz nah an ihr Gesicht und zischte: „Karabossa …“
Die Frau bemerkte, dass auch Volker Tränen in den Augen standen. Er schluchzte fast: „Sie will immer das, was mich glücklich macht. Sonst holt sie mich.“ Plötzlich äffte er eine alte Frau nach und raunte: „Nein, nein, Volker. Das sind unanständige Gedanken. Das lassen wir nicht zu!“

Inzwischen hatten sich Schaulustige auf der Brücke am VVV - Turm eingefunden. Dort, wo die Fahrt der Vechtesonne begonnen hatte. Blaulichter näherten sich stetig, vereinten sich mit zahlreichen Katastrophentouristen, die dem Boot schon länger vom Ufer aus auf Fahrrädern und zu Fuß folgten. Jahrmarktstimmung.
Schlagartig straffte sich Volkers Körper wieder. „Heute ist meine letzte Tour. Und du bist ihr letztes Opfer. Dann bin ich frei!“ Christiane fing an zu schreien. Er ignorierte sie und startete den Motor. Als sie sich der letzten Brücke näherten, glaubte Volker, seinen Augen nicht zu trauen. „Verdammt, was soll das…“, brachte er noch hervor, da war es schon geschehen. Jemand ließ sich von der Brücke aufs Boot fallen. Bei dem waghalsigen Manöver hätte die mutige Polizistin fast den Halt auf dem blutverschmierten Bug verloren. Als sie ihre Dienstwaffe ziehen wollte, stürzte sich Volker auf sie. Immerhin gelang es der Beamtin, ihn zu entwaffnen. Das Messer fiel ihm aus der Hand. Aber Volker war viel kräftiger als die zierliche Frau, und seine Schläge trafen unbarmherzig. Der ungleiche Kampf dauerte nicht lange, da stürzte die Polizistin und fiel von Bord.

Die Vechtesonne fuhr steuerlos mit Höchstgeschwindigkeit weiter, verließ knapp das enge Flussbett in Richtung des dunklen Vechtesees. Christiane, die vorher wie gelähmt schien, erkannte ihre Chance und versuchte ebenfalls, das Boot zu verlassen. „Nein!“, schrie Volker panisch. Er packte sie hinten am Kragen und warf sie brutal auf den Boden, wo sie liegenblieb.

Volker nahm das Ruder in die Hand. Etwa in der Mitte des Sees stoppte er die Fahrt. Nun würde es geschehen. Da spürte er einen Luftzug, drehte sich zu Seite und da stand sie, genau wie seine Mutter sie ihm immer beschrieben hatte. Dünne spinnenartige Beine hielten ihren unförmigen Körper. Unterhalb ihres mit zackigen Schuppen besetzten Buckels befand sich ihr hässlicher Kopf, der außer den langen schwarzen Haaren nichts Menschliches besaß. Sie streckte ihm ihre Krallen entgegen und rammte sie ihm in den Bauch. Volker spürte sein warmes Blut ausströmen, als er rief: „Karabossa! Dein Opfer! Ich…“ Doch als Antwort schlug sie ihm ihre Krallen in den Hals. Er roch sein Blut. Spürte eine ungeheure Kälte, als ihm schwarz vor Augen wurde. „Karabossa…“, ächzte er noch einmal, dann starb er.

„Ich gebe dir deine Karabossa…“, sagte Christiane und stach ihm sein eigenes Messer noch einmal in den Bauch.

Tom Fuhrmann ©2015


Inspirationsquelle: Solarkatamaran Vechtesonne


Samstag, 30. Januar 2016

Blogger für Flüchtlinge

Wie ihr wisst, beschäftige ich mich ja schon lange mit dem Thema Flüchtlinge.

So ist ja letzten Endes auch "Sahin" entstanden.

Diese Aktion hier unterstütze ich auch sehr gerne.

Blogger für Flüchtlinge

Wenn ihr andere Blogger kennt, sagt ihnen Bescheid.
Ansonsten ist es auch egal, teilt das Ding wie auch immer.
Instagram, Facebook, Twitter oder Google+
scheißegal.

Machen. Tun. 

Gutes tun.

Gut tun.








Satire