Dienstag, 6. Oktober 2015

Einige rudern zurück...

Einige rudern zurück…

…die anderen ertrinken weiter im Mittelmeer.

Es macht sich ein neuer Trend bemerkbar, der wohl völlig normal ist, wenn die Angespanntheit der Situation das eigene Maß des Erträglichen überschreitet.
Man relativiert, toleriert, akkreditiert und schätzt, wenn der Irrsinn differenziert genug zur Diskussion gestellt wird.

Mit Leuten, die auch nur eine minimale Gesprächskultur pflegen, hatte ich noch nie Probleme. Die Meisten von denen sprechen sogar verständliches deutsch. Das sind auch nicht die, von denen man bedroht wird, wenn man eine andere Meinung hat. Das sind nicht die, die sich freuen, wenn Kinder sterben und Häuser brennen.
Unsere Gesellschaft hat sich eigentlich gar nicht verändert.

Nach wie vor baut man sich erhabene Denkmäler auf der Oberfläche als Spiegel großer gesellschaftlicher Errungenschaften.

1789-1799-französische Revolution

1865-Das Ende der Sklaverei in den USA

1919-Die Weimarer Verfassung

1948-Die UNO verkündet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (seit1973auch mit den beiden deutschen Staaten)

1961-der erste Mensch im All (Toll, oder?)

1969-Woodstock (auch mal ziehen?)

1984-an meinem 19 Geburtstag wurde die erste Email verschickt (…du wollen größer Penis?...)

1989-die Berliner Mauer fällt und der Westen mit Wirtschaftsflüchtlingen überflutet

Es gab so viele großartige Momente: 
Homosexualität wurde salonfähig. 
Ein schwarzer Präsident in den USA. 
Die katholische Kirche verbrennt keine Hexen mehr.

Allesamt Denkmäler an der Oberfläche.

Darunter sieht es anders aus. 
Man stelle sich eine gigantische Bergbauanlage vor und davon unendlich viele nebeneinander.
Ein verwirrend großes Netz aus Bergstollen und unterirdischen Tunneln, außerhalb jeglicher Kontrolle und ausschließlich in der Hand der  Minenarbeiter.

So funktioniert die Gesellschaft seit hundert Jahren und nun stürzt die Oberfläche an den Stellen ein, wo man versäumt hat zu kontrollieren, wer da seit Jahrzehnten gräbt und die gesellschaftlichen Normen, die Regeln der Ethik und Menschlichkeit „unterminiert“.

Wer tut so etwas? 
Es sind nicht die Notleidenden, weit gefehlt. 
Es sind die Neider, die Unzufriedenen, die Hetzer und Selbstüberschätzer.

Missgeburten geboren aus Neid und Boshaftigkeit, aus Gier und Skrupellosigkeit.  
Individuelle Bedürfnisse werden auf Kosten des Allgemeinwohles vorangetrieben, es geht um Macht und Geld. Und um den sinnlosen Kampf gegen  die Windmühlen der eigenen Selbstüberschätzung.

Wenn die Schöpfung beschließt, eine Schwalbe zu erschaffen, wird daraus niemals ein Coyote. Dieser Metamorphose kann sich nur der Mensch bedienen.

Die Meinung solcher Menschen kann nur der Spiegel falschen Denkens sein.
Da ist jegliche Überzeugungsarbeit zum Scheitern verurteilt. Da heißt es, grade machen und seiner Überzeugung treu bleiben. 

Wer montags in Dresden einem Verbrecher und seinem Pandämonium aus verfassungsfeindlichen Vollidioten hinterherläuft, trägt den Dreck am Leib, mit dem er sich umgibt.

Sowohl hier bei uns als auch in den Ländern, deren Kriege unser Land unterstützt, kann es nur eine Lösung geben: Die Wahrheit.

Jetzt fehlen nur noch Volksvertreter, die glaubwürdig genug wären, sie zu verbreiten.


Montag, 14. September 2015

Grenzlinien des Hasses


Hass gibt es überall. An manchen Orten mehr, an anderen weniger.
Hass kann stark sein, schwach, unterschwellig, offensiv, aber auch grenzenlos und abgrundtief.

Hass richtet sich gegen Obrigkeiten und gegen Minderheiten, manchmal auch gegen sich selbst.

Aber in den Social Media feiert der Hass die Party seines Lebens.




Darüber ist auch schon alles gesagt worden.
Mittlerweile kann man diese rechte Hetze kaum noch ertragen, scheint sie doch kein Maß zu kennen und kein Ende zu nehmen.

Und so sehr manche empfehlen, in den Dialog mit den rechten Arschlöchern zu treten, finde ich, dass es wenig Sinn macht, mit Menschen zu sprechen, die gar nicht den Meinungsaustausch suchen, sondern eher ihre Zusammenrottung mit Gleichgesinnten forcieren.

Hier werden Grenzen überschritten, die es mir persönlich nicht mehr ermöglichen, deren fadenscheinige Argumente ernst zu nehmen, die für mich aus haarsträubenden Schwachsinn bestehen, der mit unfassbaren Lügen gemischt wird.

Wichtig ist es, den rechten Intelligenzverweigerern diese Grenzen aufzuzeigen.

Aber nicht nur die Dummheit bringt Hass hervor. Auch gebildete Menschen können Überzeugungen vertreten, die Ausgrenzung, Rassismus und Gewalt in einem brisanten Stelldichein vereinigen und ihre Ideologien auf verblödete Handlanger vererben, die entsprechend Taten folgen lassen.

Hier werden Grenzen überschritten, die in Gewaltakten enden können, die nur noch mit Terrorismus und versuchtem Mord treffend bezeichnet werden können. Über 300 rechtsextreme Anschläge in diesem Jahr sprechen leider eine deutliche Sprache.

Wo die Regierung versagt, indem sie schweigt und nicht handelt. Wo die Polizei auf dem rechten Auge blind zu sein scheint, und es versäumt, die zu schützen, die am ärmsten dran sind:

Von Krieg und Flucht traumatisierte Kinder, Frauen und deren Männer, die allesamt nicht nur ihre Heimat, ihren Besitz und ihr Heim verloren haben, sondern teilweise auch Verwandte, Partner, Kinder und Enkel.
Menschen aus den Ostblockstaaten, getrieben von Hunger und Terror der staatlichen Willkür.

Wenn da die Antifa ihrerseits Grenzen überschreitet, die in Gewaltausübung endet, kann ich das nicht gut heißen. 

Verstehen kann ich es schon. 

Aber während ich die rechten Terroristen nur verabscheue, und deren Mitläufer für ihr nationalistisches, menschenverachtendes, rechtspopulistisches Gestammel verachte, empfinde ich umso höhere Anerkennung für die Mitglieder der Antifa, die da hingehen, wo den Wehrlosen Gefahr droht und mit friedlichen Mitteln versuchen, dem Pack Einhalt zu gebieten, also versuchen, einfach besser zu sein als das Pack.

Leider hat jeder Widerstand, so wichtig dieser als solcher auch ist, 
eine unüberwindbare Grenze:  

Die Ursachen allen Übels - Krieg, Elend und Vertreibung

Was nutzt es, die Windmühlen zu zerstören, wenn immer noch der gleiche Wind weht, so dass immer wieder neue Windmühlen gebaut werden?

Die Ursache allen Übels ist die Unwissenheit

Solange die Unzufriedenen alles glauben, was Profiteure ihnen vorsetzen, werden die Extremisten weiter Zulauf haben.

Deshalb ist in unserem Land Aufklärung und Bildung das Wichtigste.
Früher haben die Unzufriedenen gehungert, bevor sie als wild gewordener Mob durch die Straßen gerannt sind.
Heute sind sie alle zu fett und zu debilen Konsumenten erzogen, dankbar für jedes Feindbild.

Wem nutzt das? Dem Staat? Dem Staat, der an dritter Stelle der Waffenlieferanten steht?

Waffenexporte müssen gestoppt werden. Sofort.

Und vor allem müssen wir die Grenzen in Europa öffnen 

und nicht die Grenzen schließen.

Das Elend bekämpfen und nicht forcieren.

Aber das ist eigentlich auch ein alter Hut.



„Solange es Kraft Gesetz und Sitte eine soziale Verdammnis gibt, die auf künstlichem Wege, inmitten einer hochentwickelten Zivilisation, Höllen schafft und der göttlichen Vorsehung noch ein menschliches Fatum hinzufügt; … solange in gewissen Regionen der soziale Erstickungstod möglich ist, oder anders gesprochen, solange auf der Erde Unwissenheit und Elend herrschen, dürfen Bücher wie dieses nicht unnütz und unwichtig sein.“

Victor Hugo im Jahre 1862 (aus „Die Elenden“)

Sonntag, 16. August 2015

Geschenkt

Werde mir heute diesen Minions-Film ansehen. Der erste Kinobesuch mit meiner kleinen Tochter und der Versuch, meine gute Laune, für die ich bekannt bin, zurückzuerhalten.

Diese kleinen gelben Biester sind schließlich ein Garant für Frohsinn und Gelächter. Oder nicht?

Vielleicht hätte sich Sigmar Gabriel lieber mit Kevin getroffen statt mit Till. Garniert mit Minions wird doch jede Aussage salonfähig, sei es über Rüstungverdopplung, TTIP oder Griechenbashing.




Zumal Schweiger für mich nach wie vor ein "zweigleisiges Schwert" 😜ist. Zunächst ist klar, dass es scheißegal ist, wie etwas Gutes zustande kommt. Und immerhin ist er einer der Prominenten, die aktiv geworden sind. Es gibt unzählige an dieser Front, die ihre aufgespritzten Ärsche lieber hinter dem Management verstecken und nichts unternehmen, um dem rechten Aufmarsch in unserer Gesellschaft Grenzen aufzuzeigen.

OK, es ist besser, als wenn einer seiner eigenen Prämisse widerspricht und selbst nicht einfach mal die Fresse halten kann. Sehr kontraproduktiv. Hoffentlich schreibt der nicht auch noch ein Buch.

Jetzt bekomme ich bestimmt einen Shitstorm.

Komischerweise passiert mir so etwas nie, weil meine Freunde nicht zu den „Koitus-Veganern“ (Zitat Micky Beisenherz) und RTL 2-Philosophen gehören.

Das ist vielleicht bei Till Schweiger anders. Da muss man sich natürlich nicht wundern, wenn der Zauberlehrling die Geister nicht mag, die seinem künstlerischen Niveau entsprechen. Du kannst nicht die Todesstrafe für Kinderschänder fordern, Militäreinsätze im Ausland begrüßen und glauben, das lockt keinen von den ewig Gestrigen an. Mann, das sind deine Fans!

Ziehe in Dresden mal alle Mario Barth-Anhänger und Frei.Wild-Fans ab, dann geht mit viel Glück noch einer spazieren, der im Zwinger das Licht ausmachen kann. Lutz Bachmann. Freigang ist Freigang.

Die Tiroler 2-Akkorde-Rocker erleben das ja auch gerade am eigenen Leib bei ihrem Bekenntnis zum Antifaschismus. Müsst ihr mal verfolgen, ist echt lustig, wie die sich selbst zerlegen. Ich glaube, da war Alkohol im Spiel.

Bei Schäuble offenbar auch. Sein Lob für Griechenland ist nach meiner persönlichen Auffassung ein Euphemismus für die abscheulichste Art, jemanden zu sagen, dass man ihn zutiefst verabscheut. Als wenn man jemanden zuerst zu Brei tritt und ihn dann dafür lobt, dass er brav den Mund aufmacht, während man seine Blase über ihm entleert.


Was passiert eigentlich mit den Koalitionpartnern der Union? Wie bringen die „christlichen“ Parteien ihre Partner dazu, sämtliche Prinzipien ihrer Partei zu verraten? Bekommen die von der Merkel Musical-Karten geschenkt? 


Montag, 6. Juli 2015

Kritik üben

Verdammt, aber ein paar Sachen muss ich dir jetzt einmal sagen:

Das Schlimmste an dir ist deine Art, an ausnahmslos Allem und Jeden etwas auszusetzen zu haben. 

Selbst wenn 400.000 friedliche Leute ein Konzert genießen wollen, kommst du mit deiner links-grün versifften Gutmenschenkeule und redest alles in den Dreck, auf dem ihre Zelte stehen. 

Oder da hat mal eine ausländische Band Erfolg in Deutschland, und dir fällt nichts Besseres ein, als sie wegen des Bildungsniveaus ihrer Fans zu belächeln. Kunst ist doch frei. Wild sind auch andere Bands.

Selbst der gute alte deutsche Schlager ist dir nicht heilig. Fast wärst du vor Lachen erstickt, als Matze Reim seine verdiente Jubiläumsbox vorgestellt hatte. 
Du bist so gemein.

"25 Jahre Verdammt, ich lieb‘ Dich..."

Was ist daran so schlimm? Ja gut, einem Pferd gibt man auch den Gnadenschuss, aber die müssen ja auch keinen Unterhalt zahlen.

Aber wieso beleidigst du Xavier Naidoo ständig?

„Ein dauerbekiffter Penner, der den dreckigen Nazis eine Plattform schafft.“ 

„Wer ihn noch gut findet, steht auf seiner Gehaltsliste…“

„Der hat doch nur Erfolg in Amerika, weil dort keiner deutsch versteht…“

„Wer sich mit homophoben, antisemitischen Reichsbürgern schmückt, kann nur mit beschissener Musik einen drunter legen…“

Schämst du dich nicht?

Wirklich nicht?

Und was ist mit seinen Fans? Sind das auch nur hirntote Mainstreamer, für die nur Marken und Euros zählen? 

Sind es auch nur Jammerlappen, die nichts hinterfragen und nie etwas kritisieren, was sich außerhalb ihrer Wohnung, ihres beschränkten Horizontes oder mehr als 10 m von ihrer Stoßstange entfernt befindet?

Ja?

Wirklich?

Sogar die Medien kotzen dich an. Das Fernsehen betrügt, die Zeitungen lügen. Mit Karla Kolumna ist für dich der letzte seriöse Journalist von der Bildfläche verschwunden.

Jauch möchtest du körperlich züchtigen und manchmal träumst du davon, beim Promidinner den Gasherd in die Luft zu jagen, wenn die Sonderzeichen-Promis in der Küche ihre peinlichen Statements von sich geben, die selbst nachbearbeitet und geschnitten noch weniger Sinn ergeben als Bratkartoffeln mit Champagner.

Ist doch nur Fernsehen. 

„Während die verdammten Teletubbies (Mögen sie bluturinierend in der heißesten Ecke der Fernsehhölle langsam verrecken…) unsere Kleinkinder an das elende Fernsehen gewöhnen sollten, übernehmen nun „Beate und Irene“ auf RTL, und zwar ebenfalls auf dem Niveau von Vorschulkindern, aber noch menschenverachtender als ein personifizierter Staubsauger.“

Was hast du dir dabei gedacht? Musst ja nicht einschalten. Gibt es überhaupt etwas, das dir Freude macht?

Deine Familie? Und Freunde?

Lange Gespräche bei gutem Rotwein mit meiner Frau oder einfach nur bei einer Flasche Bier mit meinen Kumpels. 

Bücher, Musik und vieles mehr.

Jetzt rede ich schon eine Viertelstunde mit meinem Spiegel.

Seit fast 50 Jahren: Verdammt, ich lieb mich!






Freitag, 22. Mai 2015

Dumm und Dümmer

Habe ja schon lange nichts mehr gebloggt. 

Das lag eher daran, dass ich oft starr vor Entsetzen war, was sich alles im Cyber-Irrenhaus abspielt, aber vor allem hatte ich Angst, einem Shitstorm anheim zu fallen. 

Das geht ja heutzutage schneller, als du „Superduperknabbermöhre“ sagen kannst. 

Auf der anderen Seite stelle ich mir gewisse Fragen: 

Woher rühren meine Unzufriedenheit und mein Zorn. 

Wieso empfinde ich diesen Abscheu vor dummen Menschen? 

Was treibt mich an, wenn ich Ungebildete vorverurteile und oberflächlich bewerte? 







Diesen Leuten für gesellschaftliche und politische Missstände alleine die Schuld zu geben verblasst zu einer Farce, denn man selber ist ja bisher auch unfähig gewesen, Veränderung herbei zu führen. 

Wer will sich denn mit vergleichbarem Eifer für irgendetwas Sinnvolles engagieren, wie es selbst die Arschlöcher von PEGIDA jeden Montag vorgeführt hatten? 

Politische Engagement hört bei den Intellektuellen da auf, wo Jauchs Versagen anfängt. 

Die Menschen ( ich kann sie jetzt schon nicht mehr als „dumm“ bezeichnen), die sich ihre Meinung aus Talkshows holen, sofern sie um diese Uhrzeit noch nüchtern genug sind, haben damit auch das Fundament geschaffen, auf dem sie ihre Überzeugung bauen können.

Sollte ich diese Menschen nicht eher beneiden, statt sie zu stigmatisieren?

Was es zu beneiden gibt? Ganz einfach, liebe Freunde des gehobenen Schulabschlusses. 

Diese simpel konditionierten Mitmenschen sind zufrieden! Ich bin es nicht. Und auch viele meiner Freunde und Bekannten sind es nicht.  

Diese Mario Barth-Anhänger, die ihre BILD nicht nur zum Fisch einwickeln benutzen, verarbeiten ihre Freuden auf einer Schwelle, die so tief unten liegt, dass in diesem Tsunami, bestehend aus einer Flutwelle von Endorphinen, keine Zeit für Zweifel bleiben. Selbst die Geissens haben Follower. 

Ein Fläschchen Bier, ein Song von Santiano und „dem Nachbarn seine Alte ihre Schwester“ im Arm, schon geben sich Serotonin, Dopamin und Oxytocin die Klinke in die Hand. Wenn die Braut dann noch Dortmund-Fan ist, was soll da noch schiefgehen? Komm noch ´ne Runde, Konto ist eh überzogen. 

Leuten wie mir stellt sich zunächst die Frage, ob man überhaupt weggehen sollte. 
Bei positivem Entschluss muss dann eine Location gefunden werden, die nicht Nestle, Monsanto und Ferrero unterstützt. Auch veganes Essen sollte angeboten werden, wo doch so viele Freidenker vegan werden, da es ihnen, auch wenn sie sich weiterhin genauso unzufrieden fühlen wie ich, eine Überlegenheit gibt über die profanen Fleischvertilger. 

Dann die Musik. 

Am besten gar keine. Man wird sich sowieso nicht einig über die Musik, da ja der persönliche Musikgeschmack als einziges Mittel zur Individualität soziologische Paradigmen freisetzt, die dich zu einer Art Insel werden lassen. 

Schlager? Wohl verrückt! Punk? bist du krank? Kein Metal! Kein Techno! Keine Live-Musik. Das klingt immer scheisse. Bla, bla, blubb...

Eigentlich habe ich eh keine Lust zum Feiern. 

Außerdem ist sowieso „Der Witcher 3“ heute gekommen. 

Man kann sich sein Leben heutzutage "vorbestellen". Es ist nicht alles schlechter. 

Wie immer wird das künstlich Erschaffene die Realität bei weitem übertreffen. Wir haben schon alles gesehen, alles erlebt. 

Wir haben getötet, vergewaltigt, Kohle gescheffelt und verloren. Wir haben Vulkanausbrüche überlebt, sind in Zombieherden umgekommen. Alles in HD. 

Da kann das wahre Leben nicht gegen anstinken. 

Das macht uns unzufrieden, denn das echte Leben sieht leider nicht so toll aus wie auf der PS4. 

"In echt" werden wöchentlich über 50 Tonnen Flüchtlingsfleisch im Mittelmeer an die Fische verfüttert. 

Ein Meer voller Tote.

Wie in „Titanic“. 

Da hatte meine Freundin geweint.

Also beim Film, ist klar.




Samstag, 28. März 2015

In eigener Sache oder: "Holt mich hier raus, ich bin auch lieb..."

In eigener Sache

Mein zweiter Roman, Erbe des Tantalos, ist veröffentlicht worden.

Ich finde, er ist verdammt gut geworden. Vielleicht liegt es daran, dass so viel von meiner Vergangenheit darin steckt. Aber natürlich gibt es in erster Linie eine spannende Story darin.

Mein Nachbar meinte neulich, nachdem er das Buch ausgelesen hatte, man hätte das Gefühl, Chuck Palahniuk, Don Winslow und John Niven hätten sich als Jugendliche eine Tüte reingezogen und sich zusammen die ganze Geschichte ausgedacht. OK... 

Ein Mann erwacht aus dem Koma. Er wurde zu Hause überfallen und zusammengetreten. Sämtliche Erinnerungen sind weg, und während sein bester Freund ihm ein paar Erlebnisse aus der Vergangenheit erzählt, wird ihm durch Besucher klar, dass er nicht der Mensch geworden ist, der sich in seiner Jugend abgezeichnet hatte. 
Aus dem rebellischen Punk ist ein unbedeutender Sparkassenangestellter geworden.

Nachdem der Leser ein paar Kapitel neben dem Krankenbett die Genesung des Protagonisten verfolgt hat, kommt es zu einem weiteren Überfall auf ihn, bei dem der Angreifer stirbt. Offenbar war es der gleiche Täter wie damals. 

nach einer missglückten Liason mit einer Krankenschwester, verlässt unser "Held" das Krankenhaus und findet zu Hause seine Ehefrau aufgeknüpft in der Diele vor. sein bester Freund ist verschwunden.

Hier geht der Roman eigentlich erst richtig los. eine aufregende Suche beginnt. Mehr eine Suche nach der eigenen Identität als nach dem Mörder seiner Frau. 
Was er am Ende findet? Seht selbst. 


Gibt es natürlich nicht nur bei Amazon. Ist klar.

Sehr interessant war mich die Recherche der Geschichte Albaniens und die Tatsache, dass der Roman in der Vergangenheit spielt und der Showdown am 11.September 2001 stattfindet.

Als unbekannter Autor ist Werbung eigentlich so wichtig. Bringt eh nix. Was etwas bewirkt, sind Empfehlungen von Lesern an Freunde und Bekannte. Das macht ein Buch bekannter.

Viele sagen: "Hey, du kennst doch ein paar Promis. Warum helfen die dir nicht?"

Genauso, wie man nicht reich wird, wenn man Geld ausgibt, bleibt man offenbar nicht bekannt, wenn man andere bekannter macht? Keine Ahnung. Aber da müssen die selbst drauf kommen.

Ich denke, ein gutes Buch, findet seinen Weg.

Und wenn die paar Leute, die meine Schreibe mögen, mir auf die Schulter klopfen, so wie neulich bei der Lesung in der Eventakademie in Köln, dann bedeutet das so viel. 
Das ist ein Gefühl, das die "Großen" kaum empfinden können, die ihre Bücher noch nicht einmal selbst schreiben. Köln, das ging runter wie Öl.

Danke. 

Würde mich freuen, wenn ihr meinen neuesten Erguss mal antesten würdet. Und dann erzählt es weiter, wenn es gut ist. Jedem. Außer Tiernahrung. Ich schicke euch auch gerne ein signiertes Exemplar zu, wenn ihr mir eine Nachricht zukommen lasst. 

tom@frog-mail.de

Holt mich hier raus, dann schreibe ich noch viel mehr für Euch!

Küsschen



Samstag, 28. Februar 2015

Man muss manchmal auch anecken

R.I.P

Nach dem Motto: „Gutes tun und darüber berichten“, wollte ich eigentlich in meinem Blog etwas über meine erfreulich positiven Erfahrungen mit zwei Schulklassen schreiben.

Mein erster Roman Back to Back ist in Köln an der „Werner von Siemens Schule“ zur Schullektüre auserkoren worden, und ich durfte dort diese Woche vor einer Berufsschulklasse und einer 12. Gymnasialklasse referieren und etwas aus meinem Werk lesen. Von den jungen Menschen war ich einfach begeistert, obwohl ich zugegebenermaßen anfangs Vorurteile hatte.

Dachte, die wissen noch nicht einmal, wie man ein Buch einschaltet.

Das wäre ein lustiger Blog-Beitrag geworden.

Und dann stirbt Spock.

Völlig überraschend mit nur 83 Jahren.

Er war auf jeden Fall der beste Spock von allen. Eine herausragende Persönlichkeit, habe ich gehört. Als Sänger und Schauspieler hatte er es auch versucht, glaube ich.  

Auf jeden Fall, soll er sehr nett gewesen sein.

Aber es geht mir gar nicht um die Person Leonard Nimoy, die ich als Kind auch sehr verehrt habe.

Nur dieses Gerippe ist echt unerträglich.

Wenn einen vorher Zitate der Menschen nicht interessiert haben, müssen sie einem nach deren Tod doch nicht aufgezwungen werden.

Ich bin für das Leben. Ich bin dafür, den Lebenden zu schenken, was ihnen an Respekt, Bewunderung und Liebe zusteht.

Vielleicht hat das bei mir einen Grund.

Ich habe meinen Zivildienst in der Pathologie abgeleistet. Damals waren es noch 20 Monate, und in dieser Zeit habe ich so um die 600 Tote gesehen.

Wir haben auch die angeschlossene Kinderklinik „betreut“, und so waren vom Embryo über 4-jährige, die in der Bevertalsperre ertrinken mussten, weil ihre Eltern besoffen ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkamen, bis hin zu Teenagern, die an Leukämie verreckten, weil sich kein Spender auftreiben ließ, alles dabei an „unnatürlichen“ Todesfällen.

Da gab es verprügelte Mädchen und Jungen, die im Krankenhaus an den Folgen der Misshandlungen gestorben waren. Die Krankheiten, an denen Kinder leiden können, sind unvorstellbar.

Es gab natürlich auch Erwachsene, die wir bedienen mussten. Ich hatte das Pech, den Vater meines damaligen besten Freundes in meiner Schicht als Patient anzutreffen. Er wurde gerade mal 51 Jahre alt.

Die Feuerwehr brachte Selbstmörder, Opfer von Verkehrsunfällen. Wir sahen Verbrannte, Totgeschlagene, Erstochene und Vergiftete. Verunfallte und Menschen, die aus Kummer gestorben waren. Viele waren gerade mal zwanzig.

Und es gab die Alten.

Ohne sie hätte ich wahrscheinlich sämtliche Pietät und den Respekt vor dem Leben verloren.

Die einzige Normalität war für uns Zivis, dass alte Menschen irgendwann sterben.

Ein Todesfall ist immer ein Grund zur Trauer für die Hinterbliebenen und Freunde, keine Frage, aber im Vergleich zu den anderen Verstorbenen, die durch Krankheit, Unfälle und Gewalt ums Leben kamen, gab es bei den meisten alten Menschen die Möglichkeit des Erklärbaren und „Normalen“.

Und ich persönlich lernte den Respekt vor Menschen, die alt genug wurden, um drei oder mehr Generationen zu erleben.  

Wenn sie tot waren, war es übrigens zu spät, um ihnen Respekt zu zollen, für was auch immer. Die Hinterbliebenen interessiert es übrigens auch einen Scheißdreck, wer da lobt, vermisst oder kondoliert.

Und Heuchler mag eh keiner.

Trauer ist etwas Stilles, finde ich. Ich habe dieses R.I.P früher auch ein paarmal rausgehauen, aber ich schäme mich dafür mittlerweile.

Zumindest in unserer Kultur ist eine Leiche kein Schmuck.

Mir ist ja letzten Endes egal, was ihr postet. Muss es ja nicht lesen.
Aber denkt mal drüber nach.

Wünscht euch lieber Ruhe und Frieden für die Lebenden.

Diese Welt könnte beides im Moment dringend gebrauchen.


Samstag, 14. Februar 2015

Amaya

Amaya   von Tom Fuhrmann ©2015

„Gütiger Himmel. Verschlafen. Jetzt aber schnell.“

Ein Blick aus dem Fenster beruhigte sie wieder etwas. Es war draußen noch dunkel. Noch wurde die Finsternis nicht gespalten von Licht des aufkommenden Morgens. Etwas Zeit blieb noch bis Angelos. Das war das erste Gebet zu Ehren der himmlischen Engel, das wie üblich um 6 Uhr -  eine Stunde vor dem Laudes, dem Morgenlob - stattfand. 

Am meisten freute sie sich allerdings auf das anschließende Frühstück im Refektorium. Philomena war immer hungrig, wofür sie sich früher  eine Zeit lang geschämt hatte. 

Sie zog ihr Nachthemd aus und strich sich mit den Händen über ihre kleinen festen Brüste. Ihr fiel der seltsame Traum wieder ein, den sie in der letzten Nacht hatte. 

Darin war Philomena aus unerfindlichen Gründen nachts aufgewacht, während ihre kleine Kammer in ein seltsames pulsierendes Licht gehüllt gewesen war. Gleichzeitig hatte sie einen Wind gespürt, wie eine sanfte warme Brise, der ihren Körper an Stellen streichelte, die sie nur hinter vorgehaltener Hand vielleicht mit „Unten rum“ bezeichnet hätte. 

Philomena nahm sich fest vor, diesen Traum zu beichten. 

Niemals vorher hatte sie ihre Sinnlichkeit derartig ungeniert ausgelebt. Schnell zog sie sich ihr Habit an und kniete sich hin zum ersten Gebet. 

Sie fragte sich, warum sie sich so seltsam fühlte an diesem Morgen. Aber sie wusste: Gott lässt niemanden ohne Antwort. Auch wenn es manchmal etwas dauert.

Beim Frühstück wurde ihr schlecht. Und zwar derartig, dass sie sich in Schwester Rafaelas Schoss erbrach. Schuld daran war der fürchterliche Gestank, der von Schwester Imelda ausging, den offenbar nur sie, Philomena, wahrnahm und als störend empfand. Sehr viel später, bei der Vesper, wurde ihr schon wieder übel, so dass sie lieber auf ihr Mahl verzichtete. Das Abendlob überstand sie nur mit Mühe, denn eigentlich war sie hungriger als jemals zuvor. 

Was war los? 

Wann würde Gott antworten?

Genaugenommen kam die Antwort kurz vor dem Schlafengehen. 

Erschöpft von ihrem schlichten Alltag, der aus Gartenarbeit, Referendariat und insgesamt vier Stunden Gebet bestand, betrat die Nonne ihre Kammer.

„Hallo Philomena. Geht es dir wieder besser?“ Die Nonne bekreuzigte sich und wollte sofort wieder die Kammer verlassen. Aber die Tür war plötzlich verschwunden. Sie und der Mann auf ihrem Bett, den sie nicht richtig erkennen konnte, weil er im Schatten saß, waren plötzlich von vier  alten Klostermauern umgeben, die alle keine Tür hatten. Und was das Seltsamste war: Philomena verspürte keine Angst.

„Verzeihung…“, ergänzte der Unbekannte, schnipste mit den Fingern und schon war die Kammer erfüllt von warmen Licht.

„2700 Kelvin. So mögt ihr Menschen es doch am liebsten, oder? Komm her, setz dich zu mir. Ich kann dir alles erklären.“, sagte der Mann und stand auf. Er war fast drei Köpfe größer als Philomena, ein Riese von einem Mann. Er trug auf seinem freien Oberkörper eine Art Rüstung, die aus ausgeprägten Schulterpanzern und zahlreichen Riemen bestand. Seine enge Hose war ebenfalls aus Leder und dazu trug er gepanzerte Stiefel wie ein altgriechischer Soldat. Aber ein Mensch konnte er nicht sein. 

„Sie haben… Flügel?“, brachte sie stammelnd hervor, weil ihr wirklich nichts besseres einfiel. 

„Jep! Habe ich schon lange. Schick, oder?“

Die Nonne fiel in Ohnmacht. Der Engel verzog kurz den Mund, dann hob er sie vom Boden auf, als ob sie aus Styropor wäre und setzte sie neben sich auf das Bett. Er schnipste mit den Fingern und sofort kam Philomena mit einem heftigen Schreck wieder zu sich. Sie bemerkte sofort, wer sie da im Arm hielt und ihre Lippen bebten. Sie empfand immer noch keine Angst. Es war vielmehr ein Gefühl, als ob sie vor Liebe platzen müsste.

„Also gut.“, begann der Engel. „Wir versuchen es noch einmal. Ich bin der Verkündigungsengel Selaphiel. In gewisser Weise schickt mich dein Boss. So sagt man doch? Ich bringe frohe Kunde.“

„Ein… Engel?“ 
„Verkündigungsengel. Soviel Zeit muss sein. Und nun spitz mal deine niedlichen Lauscher. Das was ich zu sagen habe, wird dir gefallen.“

Selaphiel grinste breit, während Philomena an seinen Lippen klebte. Sein Lächeln steckte sie an. Sie grinste zurück.

„Du bist schwanger.“

Jetzt lächelte nur noch der Engel.

„Ich verstehe nicht. Wieso?“

„Der Heilige Geist ist in dich gefahren. Du wirst Gottes Tochter gebären und sollst ihr den Namen Amaya geben. Auf dass sie die Menschheit retten soll. Das ganze Programm, wie gehabt.“

Er zog seine Augenbrauen hoch. 
„Das solltest du aber kennen, Philomena?“

„Aber wieso?“, fragte die Nonne verzweifelt.

„Hast du dich mal umgesehen? Im Moment führen die Menschen mehr grausame Kriege zur gleichen Zeit als jemals in den letzten zwanzig Jahrhunderten zusammen. Ihr zerstört die Natur, euch selbst und irgendwann den ganzen Planeten. Deshalb muss euch jemand stoppen. Ich bin eigentlich mehr Lokis Meinung, dass man euch einfach…, aber lassen wir das! Mal im Ernst: Ukraine, Genforschung, Walfang, Waffenexporte, Flüchtlingspolitik, Verschwörungstheorien, Social Media, Umweltverschmutzung, Monsanto, Nestle, ISIS, Indien, Ukraine und vor allem euer FERNSEHPROGRAMM? Brauchst du noch mehr Gründe, etwas zu unternehmen? Also. Was ist?“

„Was ist?“

„Machst du mit, oder sollen wir euren Laden abfackeln. So nannte Bush das doch mit dem Irak?“

„Wieso ich?“

„Klar, eigentlich müsste das eine Amerikanerin machen. Die haben das Meiste angerichtet. Aber sei mal ehrlich. Die wären doch selbst zu blöd, den Heiland zu gebären. Und ihr Deutschen habt die Schöpfung dadurch beeindruckt, dass ihr diesmal mit den Abkürzungs-Nazis fertig geworden seid. Offenbar seid ihr lernfähig. Also: Machst du es?“

„Ich bekomme ein Baby?“

„Ich werte das mal als Ja. Schön. Dann viel Erfolg mit Amaya. Gepriesen sei der Herr. Feierabend!“

Grelles Licht wie ein Blitz. Dann war alles wieder wie vorher. Die Kammer war dunkel, Philomena war alleine. Und nachdem sie das Licht angemacht hatte, sah sie, dass sich die Tür auch wieder da befand, wo sie hingehörte.

Philomena hatte gerade ihren Bericht beendet. Äbtissin Bernarda setzte ihre Brille ab, was ihr nichts von der natürlichen Strenge nahm, die sie stets ausstrahlte. Für Ordensschwester Bernarda waren Nonnen, die ein Werk von Paolo Coelho auf dem Nachtisch hatten, im Herzen schon Häretikerinnen und verdächtig, den Versuchungen des Lebens zu erliegen.

„Schwester Philomena. Morgen in der Früh begrüßen wir einen gern gesehenen Gast in unseren Mauern, den Domenikanerpater Werenfried. Kurz vor der Vesper werde ich dich noch einmal zu mir bitten. Vielleicht bedarf es ja ärztlichen Rates. Das werde ich mit Pater Werenfried, der sich großer medizinischer Sachkunde erfreut, zu beraten haben. Nun gehe in deine Kammer und widme dich bis dahin dem Gebet. Du bist heute von weltlichen Aufgaben befreit.“

Die Nonne verließ mit gesenktem Blick das Büro. Doch kaum war die Tür ins Schloss gefallen, öffnete sich die Tür zum Besprechungsraum, der sich nebenan befand. Hinaus trat Ordensschwester Regina, die Älteste unter den Nonnen. Zu verbittert, um eine leitende Funktion übernehmen zu können, aber zu missgünstig und unbarmherzig, um sich aus allem herauszuhalten.

„Man möchte sie verbrennen lassen, oder?“, spie sie hervor.

„Was machen wir mit ihr?“, ignorierte die Äbtissin die kruden Worte.

„Wir schmeißen sie hinaus mit dem Wechselbalg. Wer war der Missetäter?“
„Sie behauptet bei ihrem Seelenheil, das Kind stamme vom Herrn selbst. Ein Engel sei ihr deswegen erschienen. Ich erkenne dabei keine Lüge in ihrem Blick.“

„Dann bleibt uns nur eins.“

„Ja. Ich habe bereits Rom informiert. Morgen schon trifft der Abgesandte der Glaubenskongregation hier ein.“

Ein schiefes Lächeln befiel Ordensschwester Regina. „Die Inquisition…“, hauchte sie und bekreuzigte sich.

Draußen vor der Tür der Äbtissin wurde Philomena spontan schlecht. Sie ertappte sich dabei, wie sie immer öfter ihren Bauch mit ihren Händen abschirmte. Im Kopf hatte sie längst sämtliche Zweifel an ihrem Zustand abgelegt. Es nach außen zu vertreten, überforderte sie jedoch völlig. Sie spürte nicht nur, nein, sie wusste genau, dass Bernarda ihr nicht glaubte. Philomena war im Klostergarten angekommen und übergab sich gründlich über dem Eisenkraut. Auf dem Rückweg verpasste sie den Nelken auch noch ein paar Spritzer ihres Mageninhaltes.
„Sie werden es mir wegnehmen…“, dachte sie. „Ich muss hier verschwinden.“, sagte sie laut zu sich selbst.

Da sie ein schlichtes Leben im Kloster führte, brauchte sie nicht lange, um ihre persönlichen Dinge in einer ebenso schlichten schwarzen Stofftasche zu verstauen.
Eine knappe Stunde später war sie aus dem Kloster verschwunden, und als sie eine weitere Stunde später nicht zur Vesper im Refektorium erschien, führte man es allgemein auf ihre schlechte Befindlichkeit zurück. Als am nächsten Tag fest stand, dass Philomena ausgebüxt war, schienen nur Äbtissin Bernarda und Schwester Regina beruhigt. Pater Werenfried gab sich sehr besorgt.

„Da läuft eine schwangere Nonne durch die Stadt. Das ist genau die Art von Aufmerksamkeit, die wir nicht erheischen.“

„Wo mag sie nur stecken, unser verirrtes Lamm?“, gab Bernarda sich bekümmert.

„Beizeiten im Bordell!“, brachte es Regina auf den Punkt.

Tatsächlich befand sich Philomena da, wo eine Nonne am wenigsten auffällt. Sie saß in der Kirche.
Gerade war der Abendgottesdienst im Dom zu Limburg abgehalten worden, und beim heiligen Abendmahl hatten Philomena und der Dompfarrer, welcher ein alter Freund der Nonne war, mit ihren Blicken einander signalisiert, dass eine Unterredung von Nöten war.

„Schwester?“, sprach der Dompfarrer mit sanfter Stimme. Der Wiederhall im Dom verlieh dem Ganzen etwas Unnatürliches.  Dompfarrer Augustinius winkte ihr vom Eingang der Sakristei zu. Als Philomena neben den Altar zu ihm trat, reichte er ihr die Hand und lächelte. Einen Augenblick später saßen sie sich bei einer Tasse Kräutertee in der Sakristei gegenüber.

„Ich freue mich sehr über deinen Besuch, Kind. Aber was ist dein Begehr? Wie kann ich helfen?“

„Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Ich werde ein Kind bekommen. Es ist die Tochter des Herrn persönlich und sie wird Amaya heißen. Sie soll die Menschen erretten, wie es einst der Herr Jesu getan hat. Der Verkündigungsengel Selaphiel ist mir erschienen und hat es mir erzählt.“

Dem Dompfarrer stand der Mund offen.

„Aber ich habe Angst, dass mir keiner glaubt.“
Sie nahm einen Schluck Tee. Dann schwiegen beide. Für die Nonne verging eine gefühlte Ewigkeit. Dann brach Augustinius die Stille: „Schwanger? Wer weiß noch davon?“

„Nur sie, die Äbtissin und ich.“

„Aha.“

„Und der Engel. Und unser …, äh…, ja. Der Vater quasi.“

„Ja, natürlich. Ist klar. Es ist spät. Wo wirst du die Nacht verbringen?“

Philomena brach zur Antwort in Tränen aus.

„Komm, Kind. In unserem Gästehaus findet sich ein Platz für dich. Morgen früh reden wir noch einmal über alles.“

Er nahm sie zärtlich in die Arme. Wie ein Vater, der seine erwachsene Tochter umarmt, gefühlvoll, aber distanziert. Dabei klopfte er ihr sanft in langsamen Abständen auf den Rücken. In dieser Nacht fühlte sie sich geborgen, als sie erschöpft einschlief.

Als sie aufwachte, war der Eingriff schon vorbei. Ihr Hals war trocken wie Sand und tat weh. Ihr Kopf schmerzte jedoch noch mehr. Die typischen Anzeichen, nachdem man mit Chloroform betäubt wurde.

„Glaube mir, es musste sein.“, sagte Augustinius. Aber nicht zu ihr. Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie er einem schmierig wirkenden Mann ein paar Geldscheine in die Hand drückte. Dann wurde sie wieder bewusstlos.
Als sie das nächste Mal aufwachte, war sie bereits wieder im Kloster. Dort hatte man sie auf einem Krankenbett mit Gurten fixiert. Philomena spürte, dass sie hohes Fieber hatte.

„Hilfe, hört mich denn keiner!“, flüsterte sie schwach, gab jedoch bald auf. Zuerst betete sie zu Gott, dass er wenigstens seiner Tochter helfen möge. Ihrem Kind. Doch dann bemerkte sie den feuchten Fleck zwischen ihren Beinen, der langsam größer wurde. Erneut versuchte sie, zu rufen. Vergeblich. Mit dem Blut sickerte auch die letzte Kraft aus ihr heraus, bis sie erneut bewusstlos wurde.

Selaphiel wandte seinen Blick ab und sagte: „Es sind immer die Relativierer, die das Menschliche in Frage stellen.“
Aber in Wirklichkeit führen sie das Göttliche ad absurdum.“, ergänzte Loki.

„Was ist schon das Leben eines einzelnen Kindes verglichen mit tausend Leben von tausend anderen Kindern, die am gleichen Tag abgetrieben wurden aus tausend anderen Gründen in tausend anderen Situationen, fragen sie.“, sagte Selaphiel sichtlich erzürnt.

„Es ist alles. Oder nichts.“, sagte Loki. 

Dann verschwanden die beiden Engel.

„Wie geht es ihr?“, fragte Augustinius nebenan im Büro der Äbtissin, und dabei schien er aufrichtig besorgt.

Man hätte dich Judas nennen sollen.“, dachte Werenfried, aber er sagte: „Die Operation verlief nicht gut. Ich habe ihr Schicksal nur noch in Gottes Hände legen können. Ihr habt dennoch richtig gehandelt, Augustinius. Wir hätten ihr das Kind wegnehmen müssen. Der Skandal hätte der Kirche geschadet, so kurz nach der Sache mit eurem Vorgänger.“

Einen Moment schwiegen alle, dann sagte der Dompfarrer: „Aber eines ist seltsam.“

Bernarda und der Gesandte Roms blickten auf. Augustinius sah die Äbtissin direkt an und fuhr fort: „Medizinisch betrachtet, war sie noch Jungfrau, hatte der Holländer gesagt, den ich engagiert hatte.“

Epilog

„Da bist du ja wieder.“, sagte Selaphiel. „Kann sein, dass es noch ein bis zwei Jahrhunderte dauert, bis wir die Menschen vernichten. Aber dann darfst du dir die Chose als eine der wenigen von hier oben aus ansehen. Zusammen mit Amaya.“

Der Engel stupste das Baby in Philomenas Arm zart auf die Nase.

"Vielleicht passiert auch wieder gar nichts. Sie ist manchmal so sprunghaft..."