R.I.P
Nach dem Motto: „Gutes
tun und darüber berichten“, wollte ich eigentlich in meinem Blog etwas über
meine erfreulich positiven Erfahrungen mit zwei Schulklassen schreiben.
Mein erster Roman Back to Back ist in Köln an der „Werner von Siemens Schule“ zur Schullektüre
auserkoren worden, und ich durfte dort diese Woche vor einer Berufsschulklasse
und einer 12. Gymnasialklasse referieren und etwas aus meinem Werk lesen. Von
den jungen Menschen war ich einfach begeistert, obwohl ich zugegebenermaßen
anfangs Vorurteile hatte.
Dachte, die wissen
noch nicht einmal, wie man ein Buch einschaltet.
Das wäre ein lustiger
Blog-Beitrag geworden.
Und dann stirbt
Spock.
Völlig überraschend
mit nur 83 Jahren.
Er war auf jeden Fall
der beste Spock von allen. Eine herausragende Persönlichkeit, habe ich gehört. Als
Sänger und Schauspieler hatte er es auch versucht, glaube ich.
Auf jeden Fall, soll
er sehr nett gewesen sein.
Aber es geht mir gar
nicht um die Person Leonard Nimoy, die ich als Kind auch sehr verehrt habe.
Nur dieses Gerippe ist echt unerträglich.
Wenn einen vorher
Zitate der Menschen nicht interessiert haben, müssen sie einem nach deren Tod doch
nicht aufgezwungen werden.
Ich bin für das
Leben. Ich bin dafür, den Lebenden zu schenken, was ihnen an Respekt,
Bewunderung und Liebe zusteht.
Vielleicht hat das bei
mir einen Grund.
Ich habe meinen
Zivildienst in der Pathologie abgeleistet. Damals waren es noch 20 Monate, und
in dieser Zeit habe ich so um die 600 Tote gesehen.
Wir haben auch die
angeschlossene Kinderklinik „betreut“, und so waren vom Embryo über 4-jährige,
die in der Bevertalsperre ertrinken mussten, weil ihre Eltern besoffen ihrer
Aufsichtspflicht nicht nachkamen, bis hin zu Teenagern, die an Leukämie
verreckten, weil sich kein Spender auftreiben ließ, alles dabei an „unnatürlichen“
Todesfällen.
Da gab es verprügelte
Mädchen und Jungen, die im Krankenhaus an den Folgen der Misshandlungen
gestorben waren. Die Krankheiten, an denen Kinder leiden können, sind
unvorstellbar.
Es gab natürlich auch
Erwachsene, die wir bedienen mussten. Ich hatte das Pech, den Vater meines
damaligen besten Freundes in meiner Schicht als Patient anzutreffen. Er wurde
gerade mal 51 Jahre alt.
Die Feuerwehr brachte
Selbstmörder, Opfer von Verkehrsunfällen. Wir sahen Verbrannte, Totgeschlagene,
Erstochene und Vergiftete. Verunfallte und Menschen, die aus Kummer gestorben
waren. Viele waren gerade mal zwanzig.
Und es gab die Alten.
Ohne sie hätte ich
wahrscheinlich sämtliche Pietät und den Respekt vor dem Leben verloren.
Die einzige
Normalität war für uns Zivis, dass alte Menschen irgendwann sterben.
Ein Todesfall ist
immer ein Grund zur Trauer für die Hinterbliebenen und Freunde, keine Frage,
aber im Vergleich zu den anderen Verstorbenen, die durch Krankheit, Unfälle und
Gewalt ums Leben kamen, gab es bei den meisten alten Menschen die Möglichkeit
des Erklärbaren und „Normalen“.
Und ich persönlich
lernte den Respekt vor Menschen, die alt genug wurden, um drei oder mehr
Generationen zu erleben.
Wenn sie tot waren,
war es übrigens zu spät, um ihnen Respekt zu zollen, für was auch immer. Die
Hinterbliebenen interessiert es übrigens auch einen Scheißdreck, wer da lobt,
vermisst oder kondoliert.
Und Heuchler mag eh
keiner.
Trauer ist etwas
Stilles, finde ich. Ich habe dieses R.I.P früher auch ein paarmal rausgehauen,
aber ich schäme mich dafür mittlerweile.
Zumindest in unserer
Kultur ist eine Leiche kein Schmuck.
Mir ist ja letzten
Endes egal, was ihr postet. Muss es ja nicht lesen.
Aber denkt mal drüber
nach.
Wünscht euch lieber Ruhe und Frieden für die Lebenden.
Diese Welt könnte beides im Moment dringend gebrauchen.
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