Samstag, 28. Februar 2015

Man muss manchmal auch anecken

R.I.P

Nach dem Motto: „Gutes tun und darüber berichten“, wollte ich eigentlich in meinem Blog etwas über meine erfreulich positiven Erfahrungen mit zwei Schulklassen schreiben.

Mein erster Roman Back to Back ist in Köln an der „Werner von Siemens Schule“ zur Schullektüre auserkoren worden, und ich durfte dort diese Woche vor einer Berufsschulklasse und einer 12. Gymnasialklasse referieren und etwas aus meinem Werk lesen. Von den jungen Menschen war ich einfach begeistert, obwohl ich zugegebenermaßen anfangs Vorurteile hatte.

Dachte, die wissen noch nicht einmal, wie man ein Buch einschaltet.

Das wäre ein lustiger Blog-Beitrag geworden.

Und dann stirbt Spock.

Völlig überraschend mit nur 83 Jahren.

Er war auf jeden Fall der beste Spock von allen. Eine herausragende Persönlichkeit, habe ich gehört. Als Sänger und Schauspieler hatte er es auch versucht, glaube ich.  

Auf jeden Fall, soll er sehr nett gewesen sein.

Aber es geht mir gar nicht um die Person Leonard Nimoy, die ich als Kind auch sehr verehrt habe.

Nur dieses Gerippe ist echt unerträglich.

Wenn einen vorher Zitate der Menschen nicht interessiert haben, müssen sie einem nach deren Tod doch nicht aufgezwungen werden.

Ich bin für das Leben. Ich bin dafür, den Lebenden zu schenken, was ihnen an Respekt, Bewunderung und Liebe zusteht.

Vielleicht hat das bei mir einen Grund.

Ich habe meinen Zivildienst in der Pathologie abgeleistet. Damals waren es noch 20 Monate, und in dieser Zeit habe ich so um die 600 Tote gesehen.

Wir haben auch die angeschlossene Kinderklinik „betreut“, und so waren vom Embryo über 4-jährige, die in der Bevertalsperre ertrinken mussten, weil ihre Eltern besoffen ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkamen, bis hin zu Teenagern, die an Leukämie verreckten, weil sich kein Spender auftreiben ließ, alles dabei an „unnatürlichen“ Todesfällen.

Da gab es verprügelte Mädchen und Jungen, die im Krankenhaus an den Folgen der Misshandlungen gestorben waren. Die Krankheiten, an denen Kinder leiden können, sind unvorstellbar.

Es gab natürlich auch Erwachsene, die wir bedienen mussten. Ich hatte das Pech, den Vater meines damaligen besten Freundes in meiner Schicht als Patient anzutreffen. Er wurde gerade mal 51 Jahre alt.

Die Feuerwehr brachte Selbstmörder, Opfer von Verkehrsunfällen. Wir sahen Verbrannte, Totgeschlagene, Erstochene und Vergiftete. Verunfallte und Menschen, die aus Kummer gestorben waren. Viele waren gerade mal zwanzig.

Und es gab die Alten.

Ohne sie hätte ich wahrscheinlich sämtliche Pietät und den Respekt vor dem Leben verloren.

Die einzige Normalität war für uns Zivis, dass alte Menschen irgendwann sterben.

Ein Todesfall ist immer ein Grund zur Trauer für die Hinterbliebenen und Freunde, keine Frage, aber im Vergleich zu den anderen Verstorbenen, die durch Krankheit, Unfälle und Gewalt ums Leben kamen, gab es bei den meisten alten Menschen die Möglichkeit des Erklärbaren und „Normalen“.

Und ich persönlich lernte den Respekt vor Menschen, die alt genug wurden, um drei oder mehr Generationen zu erleben.  

Wenn sie tot waren, war es übrigens zu spät, um ihnen Respekt zu zollen, für was auch immer. Die Hinterbliebenen interessiert es übrigens auch einen Scheißdreck, wer da lobt, vermisst oder kondoliert.

Und Heuchler mag eh keiner.

Trauer ist etwas Stilles, finde ich. Ich habe dieses R.I.P früher auch ein paarmal rausgehauen, aber ich schäme mich dafür mittlerweile.

Zumindest in unserer Kultur ist eine Leiche kein Schmuck.

Mir ist ja letzten Endes egal, was ihr postet. Muss es ja nicht lesen.
Aber denkt mal drüber nach.

Wünscht euch lieber Ruhe und Frieden für die Lebenden.

Diese Welt könnte beides im Moment dringend gebrauchen.


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