Freitag, 22. Mai 2015

Dumm und Dümmer

Habe ja schon lange nichts mehr gebloggt. 

Das lag eher daran, dass ich oft starr vor Entsetzen war, was sich alles im Cyber-Irrenhaus abspielt, aber vor allem hatte ich Angst, einem Shitstorm anheim zu fallen. 

Das geht ja heutzutage schneller, als du „Superduperknabbermöhre“ sagen kannst. 

Auf der anderen Seite stelle ich mir gewisse Fragen: 

Woher rühren meine Unzufriedenheit und mein Zorn. 

Wieso empfinde ich diesen Abscheu vor dummen Menschen? 

Was treibt mich an, wenn ich Ungebildete vorverurteile und oberflächlich bewerte? 







Diesen Leuten für gesellschaftliche und politische Missstände alleine die Schuld zu geben verblasst zu einer Farce, denn man selber ist ja bisher auch unfähig gewesen, Veränderung herbei zu führen. 

Wer will sich denn mit vergleichbarem Eifer für irgendetwas Sinnvolles engagieren, wie es selbst die Arschlöcher von PEGIDA jeden Montag vorgeführt hatten? 

Politische Engagement hört bei den Intellektuellen da auf, wo Jauchs Versagen anfängt. 

Die Menschen ( ich kann sie jetzt schon nicht mehr als „dumm“ bezeichnen), die sich ihre Meinung aus Talkshows holen, sofern sie um diese Uhrzeit noch nüchtern genug sind, haben damit auch das Fundament geschaffen, auf dem sie ihre Überzeugung bauen können.

Sollte ich diese Menschen nicht eher beneiden, statt sie zu stigmatisieren?

Was es zu beneiden gibt? Ganz einfach, liebe Freunde des gehobenen Schulabschlusses. 

Diese simpel konditionierten Mitmenschen sind zufrieden! Ich bin es nicht. Und auch viele meiner Freunde und Bekannten sind es nicht.  

Diese Mario Barth-Anhänger, die ihre BILD nicht nur zum Fisch einwickeln benutzen, verarbeiten ihre Freuden auf einer Schwelle, die so tief unten liegt, dass in diesem Tsunami, bestehend aus einer Flutwelle von Endorphinen, keine Zeit für Zweifel bleiben. Selbst die Geissens haben Follower. 

Ein Fläschchen Bier, ein Song von Santiano und „dem Nachbarn seine Alte ihre Schwester“ im Arm, schon geben sich Serotonin, Dopamin und Oxytocin die Klinke in die Hand. Wenn die Braut dann noch Dortmund-Fan ist, was soll da noch schiefgehen? Komm noch ´ne Runde, Konto ist eh überzogen. 

Leuten wie mir stellt sich zunächst die Frage, ob man überhaupt weggehen sollte. 
Bei positivem Entschluss muss dann eine Location gefunden werden, die nicht Nestle, Monsanto und Ferrero unterstützt. Auch veganes Essen sollte angeboten werden, wo doch so viele Freidenker vegan werden, da es ihnen, auch wenn sie sich weiterhin genauso unzufrieden fühlen wie ich, eine Überlegenheit gibt über die profanen Fleischvertilger. 

Dann die Musik. 

Am besten gar keine. Man wird sich sowieso nicht einig über die Musik, da ja der persönliche Musikgeschmack als einziges Mittel zur Individualität soziologische Paradigmen freisetzt, die dich zu einer Art Insel werden lassen. 

Schlager? Wohl verrückt! Punk? bist du krank? Kein Metal! Kein Techno! Keine Live-Musik. Das klingt immer scheisse. Bla, bla, blubb...

Eigentlich habe ich eh keine Lust zum Feiern. 

Außerdem ist sowieso „Der Witcher 3“ heute gekommen. 

Man kann sich sein Leben heutzutage "vorbestellen". Es ist nicht alles schlechter. 

Wie immer wird das künstlich Erschaffene die Realität bei weitem übertreffen. Wir haben schon alles gesehen, alles erlebt. 

Wir haben getötet, vergewaltigt, Kohle gescheffelt und verloren. Wir haben Vulkanausbrüche überlebt, sind in Zombieherden umgekommen. Alles in HD. 

Da kann das wahre Leben nicht gegen anstinken. 

Das macht uns unzufrieden, denn das echte Leben sieht leider nicht so toll aus wie auf der PS4. 

"In echt" werden wöchentlich über 50 Tonnen Flüchtlingsfleisch im Mittelmeer an die Fische verfüttert. 

Ein Meer voller Tote.

Wie in „Titanic“. 

Da hatte meine Freundin geweint.

Also beim Film, ist klar.




Samstag, 28. März 2015

In eigener Sache oder: "Holt mich hier raus, ich bin auch lieb..."

In eigener Sache

Mein zweiter Roman, Erbe des Tantalos, ist veröffentlicht worden.

Ich finde, er ist verdammt gut geworden. Vielleicht liegt es daran, dass so viel von meiner Vergangenheit darin steckt. Aber natürlich gibt es in erster Linie eine spannende Story darin.

Mein Nachbar meinte neulich, nachdem er das Buch ausgelesen hatte, man hätte das Gefühl, Chuck Palahniuk, Don Winslow und John Niven hätten sich als Jugendliche eine Tüte reingezogen und sich zusammen die ganze Geschichte ausgedacht. OK... 

Ein Mann erwacht aus dem Koma. Er wurde zu Hause überfallen und zusammengetreten. Sämtliche Erinnerungen sind weg, und während sein bester Freund ihm ein paar Erlebnisse aus der Vergangenheit erzählt, wird ihm durch Besucher klar, dass er nicht der Mensch geworden ist, der sich in seiner Jugend abgezeichnet hatte. 
Aus dem rebellischen Punk ist ein unbedeutender Sparkassenangestellter geworden.

Nachdem der Leser ein paar Kapitel neben dem Krankenbett die Genesung des Protagonisten verfolgt hat, kommt es zu einem weiteren Überfall auf ihn, bei dem der Angreifer stirbt. Offenbar war es der gleiche Täter wie damals. 

nach einer missglückten Liason mit einer Krankenschwester, verlässt unser "Held" das Krankenhaus und findet zu Hause seine Ehefrau aufgeknüpft in der Diele vor. sein bester Freund ist verschwunden.

Hier geht der Roman eigentlich erst richtig los. eine aufregende Suche beginnt. Mehr eine Suche nach der eigenen Identität als nach dem Mörder seiner Frau. 
Was er am Ende findet? Seht selbst. 


Gibt es natürlich nicht nur bei Amazon. Ist klar.

Sehr interessant war mich die Recherche der Geschichte Albaniens und die Tatsache, dass der Roman in der Vergangenheit spielt und der Showdown am 11.September 2001 stattfindet.

Als unbekannter Autor ist Werbung eigentlich so wichtig. Bringt eh nix. Was etwas bewirkt, sind Empfehlungen von Lesern an Freunde und Bekannte. Das macht ein Buch bekannter.

Viele sagen: "Hey, du kennst doch ein paar Promis. Warum helfen die dir nicht?"

Genauso, wie man nicht reich wird, wenn man Geld ausgibt, bleibt man offenbar nicht bekannt, wenn man andere bekannter macht? Keine Ahnung. Aber da müssen die selbst drauf kommen.

Ich denke, ein gutes Buch, findet seinen Weg.

Und wenn die paar Leute, die meine Schreibe mögen, mir auf die Schulter klopfen, so wie neulich bei der Lesung in der Eventakademie in Köln, dann bedeutet das so viel. 
Das ist ein Gefühl, das die "Großen" kaum empfinden können, die ihre Bücher noch nicht einmal selbst schreiben. Köln, das ging runter wie Öl.

Danke. 

Würde mich freuen, wenn ihr meinen neuesten Erguss mal antesten würdet. Und dann erzählt es weiter, wenn es gut ist. Jedem. Außer Tiernahrung. Ich schicke euch auch gerne ein signiertes Exemplar zu, wenn ihr mir eine Nachricht zukommen lasst. 

tom@frog-mail.de

Holt mich hier raus, dann schreibe ich noch viel mehr für Euch!

Küsschen



Samstag, 28. Februar 2015

Man muss manchmal auch anecken

R.I.P

Nach dem Motto: „Gutes tun und darüber berichten“, wollte ich eigentlich in meinem Blog etwas über meine erfreulich positiven Erfahrungen mit zwei Schulklassen schreiben.

Mein erster Roman Back to Back ist in Köln an der „Werner von Siemens Schule“ zur Schullektüre auserkoren worden, und ich durfte dort diese Woche vor einer Berufsschulklasse und einer 12. Gymnasialklasse referieren und etwas aus meinem Werk lesen. Von den jungen Menschen war ich einfach begeistert, obwohl ich zugegebenermaßen anfangs Vorurteile hatte.

Dachte, die wissen noch nicht einmal, wie man ein Buch einschaltet.

Das wäre ein lustiger Blog-Beitrag geworden.

Und dann stirbt Spock.

Völlig überraschend mit nur 83 Jahren.

Er war auf jeden Fall der beste Spock von allen. Eine herausragende Persönlichkeit, habe ich gehört. Als Sänger und Schauspieler hatte er es auch versucht, glaube ich.  

Auf jeden Fall, soll er sehr nett gewesen sein.

Aber es geht mir gar nicht um die Person Leonard Nimoy, die ich als Kind auch sehr verehrt habe.

Nur dieses Gerippe ist echt unerträglich.

Wenn einen vorher Zitate der Menschen nicht interessiert haben, müssen sie einem nach deren Tod doch nicht aufgezwungen werden.

Ich bin für das Leben. Ich bin dafür, den Lebenden zu schenken, was ihnen an Respekt, Bewunderung und Liebe zusteht.

Vielleicht hat das bei mir einen Grund.

Ich habe meinen Zivildienst in der Pathologie abgeleistet. Damals waren es noch 20 Monate, und in dieser Zeit habe ich so um die 600 Tote gesehen.

Wir haben auch die angeschlossene Kinderklinik „betreut“, und so waren vom Embryo über 4-jährige, die in der Bevertalsperre ertrinken mussten, weil ihre Eltern besoffen ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkamen, bis hin zu Teenagern, die an Leukämie verreckten, weil sich kein Spender auftreiben ließ, alles dabei an „unnatürlichen“ Todesfällen.

Da gab es verprügelte Mädchen und Jungen, die im Krankenhaus an den Folgen der Misshandlungen gestorben waren. Die Krankheiten, an denen Kinder leiden können, sind unvorstellbar.

Es gab natürlich auch Erwachsene, die wir bedienen mussten. Ich hatte das Pech, den Vater meines damaligen besten Freundes in meiner Schicht als Patient anzutreffen. Er wurde gerade mal 51 Jahre alt.

Die Feuerwehr brachte Selbstmörder, Opfer von Verkehrsunfällen. Wir sahen Verbrannte, Totgeschlagene, Erstochene und Vergiftete. Verunfallte und Menschen, die aus Kummer gestorben waren. Viele waren gerade mal zwanzig.

Und es gab die Alten.

Ohne sie hätte ich wahrscheinlich sämtliche Pietät und den Respekt vor dem Leben verloren.

Die einzige Normalität war für uns Zivis, dass alte Menschen irgendwann sterben.

Ein Todesfall ist immer ein Grund zur Trauer für die Hinterbliebenen und Freunde, keine Frage, aber im Vergleich zu den anderen Verstorbenen, die durch Krankheit, Unfälle und Gewalt ums Leben kamen, gab es bei den meisten alten Menschen die Möglichkeit des Erklärbaren und „Normalen“.

Und ich persönlich lernte den Respekt vor Menschen, die alt genug wurden, um drei oder mehr Generationen zu erleben.  

Wenn sie tot waren, war es übrigens zu spät, um ihnen Respekt zu zollen, für was auch immer. Die Hinterbliebenen interessiert es übrigens auch einen Scheißdreck, wer da lobt, vermisst oder kondoliert.

Und Heuchler mag eh keiner.

Trauer ist etwas Stilles, finde ich. Ich habe dieses R.I.P früher auch ein paarmal rausgehauen, aber ich schäme mich dafür mittlerweile.

Zumindest in unserer Kultur ist eine Leiche kein Schmuck.

Mir ist ja letzten Endes egal, was ihr postet. Muss es ja nicht lesen.
Aber denkt mal drüber nach.

Wünscht euch lieber Ruhe und Frieden für die Lebenden.

Diese Welt könnte beides im Moment dringend gebrauchen.


Samstag, 14. Februar 2015

Amaya

Amaya   von Tom Fuhrmann ©2015

„Gütiger Himmel. Verschlafen. Jetzt aber schnell.“

Ein Blick aus dem Fenster beruhigte sie wieder etwas. Es war draußen noch dunkel. Noch wurde die Finsternis nicht gespalten von Licht des aufkommenden Morgens. Etwas Zeit blieb noch bis Angelos. Das war das erste Gebet zu Ehren der himmlischen Engel, das wie üblich um 6 Uhr -  eine Stunde vor dem Laudes, dem Morgenlob - stattfand. 

Am meisten freute sie sich allerdings auf das anschließende Frühstück im Refektorium. Philomena war immer hungrig, wofür sie sich früher  eine Zeit lang geschämt hatte. 

Sie zog ihr Nachthemd aus und strich sich mit den Händen über ihre kleinen festen Brüste. Ihr fiel der seltsame Traum wieder ein, den sie in der letzten Nacht hatte. 

Darin war Philomena aus unerfindlichen Gründen nachts aufgewacht, während ihre kleine Kammer in ein seltsames pulsierendes Licht gehüllt gewesen war. Gleichzeitig hatte sie einen Wind gespürt, wie eine sanfte warme Brise, der ihren Körper an Stellen streichelte, die sie nur hinter vorgehaltener Hand vielleicht mit „Unten rum“ bezeichnet hätte. 

Philomena nahm sich fest vor, diesen Traum zu beichten. 

Niemals vorher hatte sie ihre Sinnlichkeit derartig ungeniert ausgelebt. Schnell zog sie sich ihr Habit an und kniete sich hin zum ersten Gebet. 

Sie fragte sich, warum sie sich so seltsam fühlte an diesem Morgen. Aber sie wusste: Gott lässt niemanden ohne Antwort. Auch wenn es manchmal etwas dauert.

Beim Frühstück wurde ihr schlecht. Und zwar derartig, dass sie sich in Schwester Rafaelas Schoss erbrach. Schuld daran war der fürchterliche Gestank, der von Schwester Imelda ausging, den offenbar nur sie, Philomena, wahrnahm und als störend empfand. Sehr viel später, bei der Vesper, wurde ihr schon wieder übel, so dass sie lieber auf ihr Mahl verzichtete. Das Abendlob überstand sie nur mit Mühe, denn eigentlich war sie hungriger als jemals zuvor. 

Was war los? 

Wann würde Gott antworten?

Genaugenommen kam die Antwort kurz vor dem Schlafengehen. 

Erschöpft von ihrem schlichten Alltag, der aus Gartenarbeit, Referendariat und insgesamt vier Stunden Gebet bestand, betrat die Nonne ihre Kammer.

„Hallo Philomena. Geht es dir wieder besser?“ Die Nonne bekreuzigte sich und wollte sofort wieder die Kammer verlassen. Aber die Tür war plötzlich verschwunden. Sie und der Mann auf ihrem Bett, den sie nicht richtig erkennen konnte, weil er im Schatten saß, waren plötzlich von vier  alten Klostermauern umgeben, die alle keine Tür hatten. Und was das Seltsamste war: Philomena verspürte keine Angst.

„Verzeihung…“, ergänzte der Unbekannte, schnipste mit den Fingern und schon war die Kammer erfüllt von warmen Licht.

„2700 Kelvin. So mögt ihr Menschen es doch am liebsten, oder? Komm her, setz dich zu mir. Ich kann dir alles erklären.“, sagte der Mann und stand auf. Er war fast drei Köpfe größer als Philomena, ein Riese von einem Mann. Er trug auf seinem freien Oberkörper eine Art Rüstung, die aus ausgeprägten Schulterpanzern und zahlreichen Riemen bestand. Seine enge Hose war ebenfalls aus Leder und dazu trug er gepanzerte Stiefel wie ein altgriechischer Soldat. Aber ein Mensch konnte er nicht sein. 

„Sie haben… Flügel?“, brachte sie stammelnd hervor, weil ihr wirklich nichts besseres einfiel. 

„Jep! Habe ich schon lange. Schick, oder?“

Die Nonne fiel in Ohnmacht. Der Engel verzog kurz den Mund, dann hob er sie vom Boden auf, als ob sie aus Styropor wäre und setzte sie neben sich auf das Bett. Er schnipste mit den Fingern und sofort kam Philomena mit einem heftigen Schreck wieder zu sich. Sie bemerkte sofort, wer sie da im Arm hielt und ihre Lippen bebten. Sie empfand immer noch keine Angst. Es war vielmehr ein Gefühl, als ob sie vor Liebe platzen müsste.

„Also gut.“, begann der Engel. „Wir versuchen es noch einmal. Ich bin der Verkündigungsengel Selaphiel. In gewisser Weise schickt mich dein Boss. So sagt man doch? Ich bringe frohe Kunde.“

„Ein… Engel?“ 
„Verkündigungsengel. Soviel Zeit muss sein. Und nun spitz mal deine niedlichen Lauscher. Das was ich zu sagen habe, wird dir gefallen.“

Selaphiel grinste breit, während Philomena an seinen Lippen klebte. Sein Lächeln steckte sie an. Sie grinste zurück.

„Du bist schwanger.“

Jetzt lächelte nur noch der Engel.

„Ich verstehe nicht. Wieso?“

„Der Heilige Geist ist in dich gefahren. Du wirst Gottes Tochter gebären und sollst ihr den Namen Amaya geben. Auf dass sie die Menschheit retten soll. Das ganze Programm, wie gehabt.“

Er zog seine Augenbrauen hoch. 
„Das solltest du aber kennen, Philomena?“

„Aber wieso?“, fragte die Nonne verzweifelt.

„Hast du dich mal umgesehen? Im Moment führen die Menschen mehr grausame Kriege zur gleichen Zeit als jemals in den letzten zwanzig Jahrhunderten zusammen. Ihr zerstört die Natur, euch selbst und irgendwann den ganzen Planeten. Deshalb muss euch jemand stoppen. Ich bin eigentlich mehr Lokis Meinung, dass man euch einfach…, aber lassen wir das! Mal im Ernst: Ukraine, Genforschung, Walfang, Waffenexporte, Flüchtlingspolitik, Verschwörungstheorien, Social Media, Umweltverschmutzung, Monsanto, Nestle, ISIS, Indien, Ukraine und vor allem euer FERNSEHPROGRAMM? Brauchst du noch mehr Gründe, etwas zu unternehmen? Also. Was ist?“

„Was ist?“

„Machst du mit, oder sollen wir euren Laden abfackeln. So nannte Bush das doch mit dem Irak?“

„Wieso ich?“

„Klar, eigentlich müsste das eine Amerikanerin machen. Die haben das Meiste angerichtet. Aber sei mal ehrlich. Die wären doch selbst zu blöd, den Heiland zu gebären. Und ihr Deutschen habt die Schöpfung dadurch beeindruckt, dass ihr diesmal mit den Abkürzungs-Nazis fertig geworden seid. Offenbar seid ihr lernfähig. Also: Machst du es?“

„Ich bekomme ein Baby?“

„Ich werte das mal als Ja. Schön. Dann viel Erfolg mit Amaya. Gepriesen sei der Herr. Feierabend!“

Grelles Licht wie ein Blitz. Dann war alles wieder wie vorher. Die Kammer war dunkel, Philomena war alleine. Und nachdem sie das Licht angemacht hatte, sah sie, dass sich die Tür auch wieder da befand, wo sie hingehörte.

Philomena hatte gerade ihren Bericht beendet. Äbtissin Bernarda setzte ihre Brille ab, was ihr nichts von der natürlichen Strenge nahm, die sie stets ausstrahlte. Für Ordensschwester Bernarda waren Nonnen, die ein Werk von Paolo Coelho auf dem Nachtisch hatten, im Herzen schon Häretikerinnen und verdächtig, den Versuchungen des Lebens zu erliegen.

„Schwester Philomena. Morgen in der Früh begrüßen wir einen gern gesehenen Gast in unseren Mauern, den Domenikanerpater Werenfried. Kurz vor der Vesper werde ich dich noch einmal zu mir bitten. Vielleicht bedarf es ja ärztlichen Rates. Das werde ich mit Pater Werenfried, der sich großer medizinischer Sachkunde erfreut, zu beraten haben. Nun gehe in deine Kammer und widme dich bis dahin dem Gebet. Du bist heute von weltlichen Aufgaben befreit.“

Die Nonne verließ mit gesenktem Blick das Büro. Doch kaum war die Tür ins Schloss gefallen, öffnete sich die Tür zum Besprechungsraum, der sich nebenan befand. Hinaus trat Ordensschwester Regina, die Älteste unter den Nonnen. Zu verbittert, um eine leitende Funktion übernehmen zu können, aber zu missgünstig und unbarmherzig, um sich aus allem herauszuhalten.

„Man möchte sie verbrennen lassen, oder?“, spie sie hervor.

„Was machen wir mit ihr?“, ignorierte die Äbtissin die kruden Worte.

„Wir schmeißen sie hinaus mit dem Wechselbalg. Wer war der Missetäter?“
„Sie behauptet bei ihrem Seelenheil, das Kind stamme vom Herrn selbst. Ein Engel sei ihr deswegen erschienen. Ich erkenne dabei keine Lüge in ihrem Blick.“

„Dann bleibt uns nur eins.“

„Ja. Ich habe bereits Rom informiert. Morgen schon trifft der Abgesandte der Glaubenskongregation hier ein.“

Ein schiefes Lächeln befiel Ordensschwester Regina. „Die Inquisition…“, hauchte sie und bekreuzigte sich.

Draußen vor der Tür der Äbtissin wurde Philomena spontan schlecht. Sie ertappte sich dabei, wie sie immer öfter ihren Bauch mit ihren Händen abschirmte. Im Kopf hatte sie längst sämtliche Zweifel an ihrem Zustand abgelegt. Es nach außen zu vertreten, überforderte sie jedoch völlig. Sie spürte nicht nur, nein, sie wusste genau, dass Bernarda ihr nicht glaubte. Philomena war im Klostergarten angekommen und übergab sich gründlich über dem Eisenkraut. Auf dem Rückweg verpasste sie den Nelken auch noch ein paar Spritzer ihres Mageninhaltes.
„Sie werden es mir wegnehmen…“, dachte sie. „Ich muss hier verschwinden.“, sagte sie laut zu sich selbst.

Da sie ein schlichtes Leben im Kloster führte, brauchte sie nicht lange, um ihre persönlichen Dinge in einer ebenso schlichten schwarzen Stofftasche zu verstauen.
Eine knappe Stunde später war sie aus dem Kloster verschwunden, und als sie eine weitere Stunde später nicht zur Vesper im Refektorium erschien, führte man es allgemein auf ihre schlechte Befindlichkeit zurück. Als am nächsten Tag fest stand, dass Philomena ausgebüxt war, schienen nur Äbtissin Bernarda und Schwester Regina beruhigt. Pater Werenfried gab sich sehr besorgt.

„Da läuft eine schwangere Nonne durch die Stadt. Das ist genau die Art von Aufmerksamkeit, die wir nicht erheischen.“

„Wo mag sie nur stecken, unser verirrtes Lamm?“, gab Bernarda sich bekümmert.

„Beizeiten im Bordell!“, brachte es Regina auf den Punkt.

Tatsächlich befand sich Philomena da, wo eine Nonne am wenigsten auffällt. Sie saß in der Kirche.
Gerade war der Abendgottesdienst im Dom zu Limburg abgehalten worden, und beim heiligen Abendmahl hatten Philomena und der Dompfarrer, welcher ein alter Freund der Nonne war, mit ihren Blicken einander signalisiert, dass eine Unterredung von Nöten war.

„Schwester?“, sprach der Dompfarrer mit sanfter Stimme. Der Wiederhall im Dom verlieh dem Ganzen etwas Unnatürliches.  Dompfarrer Augustinius winkte ihr vom Eingang der Sakristei zu. Als Philomena neben den Altar zu ihm trat, reichte er ihr die Hand und lächelte. Einen Augenblick später saßen sie sich bei einer Tasse Kräutertee in der Sakristei gegenüber.

„Ich freue mich sehr über deinen Besuch, Kind. Aber was ist dein Begehr? Wie kann ich helfen?“

„Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Ich werde ein Kind bekommen. Es ist die Tochter des Herrn persönlich und sie wird Amaya heißen. Sie soll die Menschen erretten, wie es einst der Herr Jesu getan hat. Der Verkündigungsengel Selaphiel ist mir erschienen und hat es mir erzählt.“

Dem Dompfarrer stand der Mund offen.

„Aber ich habe Angst, dass mir keiner glaubt.“
Sie nahm einen Schluck Tee. Dann schwiegen beide. Für die Nonne verging eine gefühlte Ewigkeit. Dann brach Augustinius die Stille: „Schwanger? Wer weiß noch davon?“

„Nur sie, die Äbtissin und ich.“

„Aha.“

„Und der Engel. Und unser …, äh…, ja. Der Vater quasi.“

„Ja, natürlich. Ist klar. Es ist spät. Wo wirst du die Nacht verbringen?“

Philomena brach zur Antwort in Tränen aus.

„Komm, Kind. In unserem Gästehaus findet sich ein Platz für dich. Morgen früh reden wir noch einmal über alles.“

Er nahm sie zärtlich in die Arme. Wie ein Vater, der seine erwachsene Tochter umarmt, gefühlvoll, aber distanziert. Dabei klopfte er ihr sanft in langsamen Abständen auf den Rücken. In dieser Nacht fühlte sie sich geborgen, als sie erschöpft einschlief.

Als sie aufwachte, war der Eingriff schon vorbei. Ihr Hals war trocken wie Sand und tat weh. Ihr Kopf schmerzte jedoch noch mehr. Die typischen Anzeichen, nachdem man mit Chloroform betäubt wurde.

„Glaube mir, es musste sein.“, sagte Augustinius. Aber nicht zu ihr. Aus dem Augenwinkel sah sie noch, wie er einem schmierig wirkenden Mann ein paar Geldscheine in die Hand drückte. Dann wurde sie wieder bewusstlos.
Als sie das nächste Mal aufwachte, war sie bereits wieder im Kloster. Dort hatte man sie auf einem Krankenbett mit Gurten fixiert. Philomena spürte, dass sie hohes Fieber hatte.

„Hilfe, hört mich denn keiner!“, flüsterte sie schwach, gab jedoch bald auf. Zuerst betete sie zu Gott, dass er wenigstens seiner Tochter helfen möge. Ihrem Kind. Doch dann bemerkte sie den feuchten Fleck zwischen ihren Beinen, der langsam größer wurde. Erneut versuchte sie, zu rufen. Vergeblich. Mit dem Blut sickerte auch die letzte Kraft aus ihr heraus, bis sie erneut bewusstlos wurde.

Selaphiel wandte seinen Blick ab und sagte: „Es sind immer die Relativierer, die das Menschliche in Frage stellen.“
Aber in Wirklichkeit führen sie das Göttliche ad absurdum.“, ergänzte Loki.

„Was ist schon das Leben eines einzelnen Kindes verglichen mit tausend Leben von tausend anderen Kindern, die am gleichen Tag abgetrieben wurden aus tausend anderen Gründen in tausend anderen Situationen, fragen sie.“, sagte Selaphiel sichtlich erzürnt.

„Es ist alles. Oder nichts.“, sagte Loki. 

Dann verschwanden die beiden Engel.

„Wie geht es ihr?“, fragte Augustinius nebenan im Büro der Äbtissin, und dabei schien er aufrichtig besorgt.

Man hätte dich Judas nennen sollen.“, dachte Werenfried, aber er sagte: „Die Operation verlief nicht gut. Ich habe ihr Schicksal nur noch in Gottes Hände legen können. Ihr habt dennoch richtig gehandelt, Augustinius. Wir hätten ihr das Kind wegnehmen müssen. Der Skandal hätte der Kirche geschadet, so kurz nach der Sache mit eurem Vorgänger.“

Einen Moment schwiegen alle, dann sagte der Dompfarrer: „Aber eines ist seltsam.“

Bernarda und der Gesandte Roms blickten auf. Augustinius sah die Äbtissin direkt an und fuhr fort: „Medizinisch betrachtet, war sie noch Jungfrau, hatte der Holländer gesagt, den ich engagiert hatte.“

Epilog

„Da bist du ja wieder.“, sagte Selaphiel. „Kann sein, dass es noch ein bis zwei Jahrhunderte dauert, bis wir die Menschen vernichten. Aber dann darfst du dir die Chose als eine der wenigen von hier oben aus ansehen. Zusammen mit Amaya.“

Der Engel stupste das Baby in Philomenas Arm zart auf die Nase.

"Vielleicht passiert auch wieder gar nichts. Sie ist manchmal so sprunghaft..."



Donnerstag, 1. Januar 2015

Frosch´Neues

Frosch´ Neues!


Das waren noch Zeiten, als Roadies noch aussahen wie Roadies.

Selbst wenn du dich mit einem Anzug verkleidet hattest, sah es bestenfalls aus, als ob man gerade seine Oma begraben hätte. Der feine Zwirn blieb ein Kostüm. Der Blaumann für die Gala. 

Helme kanntest du nur von „Bob, der Baumeister“, „Engelbert-Strauss“ hättest du bei der CSU vermutet.

Arbeitsklamotten waren einfach SCHWARZ. Fertig. Oder nackt.

Ist das Jerry hinten links? Nein, doch nicht.


Als ich vor fast 30 Jahren als Roadie anfing, hat mich das Unkonventionelle an diesem Beruf am meisten beeindruckt.

Damals gab es noch Firmen wie „Maniac“, „Schallwand“, „Amptown“ oder „Rocksound“.  Entstanden aus dem Umfeld der Kunst, geprägt von Herzblut statt von Ökonomie.
Man war genau das, was man machte. Nicht mehr und nicht weniger. 

Hattest du Mist gebaut, brauchte es dreißig gute Jobs, um das auszugleichen.
Fünfzig gute Jobs in Folge brachten dir jedoch gar nichts.
(Bei den heutigen „Comedians“ nutzen dir auch 500 nichts ;-) )
Aber man tat es für sich selbst und profitierte am Ende vom Erfolg der Veranstaltung.
Man lebte vom Applaus genauso wie vom Catering, mal recht mal schlecht und existierte in einem eigenen Universum, das sowieso keiner verstand außer der Kollegen, mit denen man es teilte.

Bezahlte Soziopathen. (Ein Frontalhirnsyndrom war oft hilfreich.)

Aber die Parties waren immer gut. Auch heute noch liebe ich meine Kollegen und bin mit vielen schon lange befreundet.

Im Verlauf der Jahre habe ich viele kommen und gehen sehen, und es freut mich, dass auch noch ein paar aus der Zeit meiner ersten Erfahrungen in dem Job übrig sind.
Viele sind verdientermaßen viel erfolgreicher als ich, ein paar sind aber auf der Strecke geblieben.

Vor allem vermisse ich die Kollegen, die unfreiwillig oder durch Tod und Unfall von uns gegangen sind.

Am Ende sind wir alle nur eine Crew.

Ich habe den Job als solchen geliebt und gelebt. Vielleicht lange genug nun?

Streben nach Macht oder Ansehen und Kohle war nie mein Antrieb. Sonst hätte ich auch so etwas wie den VPLT gegründet oder Versicherungen gedrückt.

Auch ohne BGV C1 wusste man schon immer, dass um eine Lampe oder einen Lautsprecher ein Stahlseil gehört.
Allerdings wurde damals auch nicht so viel Geld mit Bildung verdient. Das geilste sind diese Operatorkurse. Den Meister sollte man auch aus Überzeugung machen, nicht weil man sich mehr Gage erhofft.

Diese Branche ist latent vor die Hunde gegangen.

Langsam sollte ich sehen, dass ich da wegkomme. Das ist mein einziger persönlicher Vorsatz für 2015.

Man könnte fast sagen, dass hier der eigene Krebs mit Nivea gepflegt wird. Es werden unanständig viele Auszubildende eingestellt, damit man mit diesen „billigen“ Angestellten ein Personaldumping aufrechterhalten kann, das wiederum die Preispolitik im Allgemeinen subventioniert.

Da haben wir den Grund für das Abnippeln vieler kleinen Unternehmen. Die Firmenchefs der Garagencompanies verbringen oft ihre Freizeit auch noch in der Firma, um ihre 80-Stunden-Woche noch mit der Vorbereitung der Jobs abzurunden, für die sie sich keinen Techniker leisten können. Wie auch bei einem Paketpreis von 500,-€ für Ton, Licht und Manpower. 

Überstundenbezahlung? 

Lustig.

Man müsste einen Verband gründen, der sich ähnlich wie eine Gewerkschaft um die Interessen der Techniker kümmert. Ach, existiert schon? Na ja…

An dem Tag, an dem ich diese „Muster-AGB´s“ abschrieb und rumschickte, bekam ausnahmsweise ich einen Anruf von jedem meiner Kunden.
Haben wir gelacht. 

Aber dass wir zu wenig verdienen, hätte ich auch alleine gemerkt. Da Standards zu schaffen und diese durchzusetzen wäre eine Sache gewesen, die ich mir erhofft hätte von einem Verband, der Mitgliedsbeiträge kassiert. Genau wie die IHK. Unnütz.
Die IHK-Zeitung und das VPLT-Magazin als Print sind sinnvoller.

Da kann wenigstens einen Fisch drin einwickeln.

Eigenartigerweise steht das, was ich kritisiere, im aktuellen VPLT-Magazin. Naja.
Zumindest steht da, dass sie sich nun um den „Menschen“ kümmern wollen. 
Wie steht da noch nicht. Es wäre auch vermessen, das jetzt schon zu verlangen, wo man doch gerade erst auf den Trichter gekommen ist.

Von Zeitarbeit und ihren „Todeshändlern“ fange ich gar nicht erst an.

Viele feine Jungs und Mädels sind auf der Strecke geblieben, weil man den Stagehand abgeschafft hat.

Aber das ist hier ja kein Hateblog. 
Ich muss mich beherrschen.




Es gibt sie aber noch, die seriösen Unternehmen. 
Zumindest in den großen Städten. (Im Emsland weniger.) 

Dafür möchte ich mich auch noch einmal bedanken.

Nachdem ich künstlertechnisch und agenturtechnisch auf das falsche Pferd gesetzt hatte, wurde ich von zwei Unternehmen aufgefangen, ohne die ich echt am Arsch gewesen wäre. Beides große Firmen, in denen auch mit Azubis noch ordentlich umgegangen wird.
Nach 7 Jahren auf Tour war der Einstieg für einen alten Sack wie mich nicht so einfach. 

Aber ich glaube, das was ich sehe, gefällt mir nicht.

Zum einen gibt es für meinen Geschmack zu viele von den billigen „jungen Wilden“, die noch Zeit für die berühmte Kaffeetournee haben, um Jobs abzugreifen, ohne zeitliche Verpflichtungen durch Familie und Kinder.

Kennste?    (Das ist ein Hyperlink)

Akquise war eh nie mein Ding. Bin ein alter Punk, kein Bankkaufmann.
Aber auch so kann ich mir ausrechnen, wie viele Jobs ich zum durchschnittlichen Tagessatz machen müsste, um mein Familienunternehmen zu finanzieren. Und dann jedes Mal gegen die Dumpingfraktion pitchen?

Das nächste Problem: Ich werde dieses Jahr 50, habe eine Frau, drei Kinder und zahle ein Haus ab. Urlaub hier und da fände ich auch gut.

Ich kann es mir gar nicht leisten, mich für 230,-€ ohne Überstundenbezahlung ausbeuten zu lassen.

Für eine Festanstellung bin ich in dieser Branche auch zu teuer und dazu noch ein biologisches Risiko.
Soziale Verantwortung fällt weitestgehend unter dem Tisch im „harten Tagesgeschäft“.
Es gibt keinen Generationenvertrag! 

Wie soll ich mit einem fünfköpfigen Haushalt für das Alter vorsorgen? Bei diesen Bedingungen?

„Fleisch wächst nach, Material nicht“ und „Für jeden Techniker stehen vor der Tür zehn andere“

Das sind Originalzitate. Ich assoziiere dabei Gedanken an die Ausübung körperlicher Gewalt.

Es gibt hier keine Gewerkschaften, keinen Schutz für freie Mitarbeiter und keine Verpflichtungen den „Selbständigen“ gegenüber. Dafür hat der „Selbständige“, der nur seine Arbeitskraft verdingt auch keine Privilegien gegenüber dem Staat.
Nur noch für Ruhm und Ehre arbeiten? Ich soll für jede Taxiquittung stundenlange Diskussionen führen, während mal eben für lau noch acht zusätzliche Movingheads aufgehängt werden?


Für Künstler, die so loyal sind wie ein hungriges Insekt? Wo man auch nach fast einem Jahrzehnt nicht merkt, mit wem man es in Wirklichkeit zu tun hat, weil die aufgesetzten Fassaden noch besser sind als ihre Bühnenprogramme?

Für Agenturen, die Techniker nur als Kostenfaktor sehen? Die noch nicht einmal wissen, dass Techniker Stoffwechsel betreiben und nur für zehn Stunden versichert sind?

Dann diese Rock´n´Roll-Geschichte, die noch schlechter bezahlt wird als Prospekte verteilen? 
Weil es Spaß macht? Weil ich die Musik so toll finde? 

Lass mal. Ich habe mit vielen wirklich großen Künstlern zusammengearbeitet. Das muss ich mir heute nicht noch auf den letzten Drücker kaputtmachen. 

In meinem Alter freut man sich auf Festivals mehr auf die Kollegen als auf die Künstler.

Wie viele mitbekommen haben, macht mir die Schreiberei auch Spaß. Man kann zwar davon nicht leben, aber es ist ein tolles Hobby.

Es würde mich freuen, wenn ihr in Zukunft meine Bücher lesen würdet. Jetzt kommt bald mein zweites Werk, „Erbe des Tantalos“, heraus. Nummer Drei habe ich bereits begonnen und es läuft gut. Das wird meine erste „Komödie“. Im „Niven“-Style selbstverständlich.

Das Wichtigste jedoch wird in Zukunft für mich die Zeit mit meiner Familie sein.

Ist es ein Geschenk, wenn man zum dritten Mal die Chance bekommt, seinem Kind beim Aufwachsen zuzusehen? Oder ist es eine Verpflichtung?

Dieses Mal werde ich meine CUE´s nicht verpassen.

Danke für drei aufregende Jahrzehnte „on the Road“. 
Ihr seid die geilste Crew.


Und ein erfolgreiches 2015 wünsche ich Euch von Herzen.

Bis demnächst.




Freitag, 12. Dezember 2014

Ken und Barbie

Ken und Barbie (oder: Word unterstreicht Jebsen rot)


Neulich an irgendeiner Hotelbar haben wir uns über diese eigenartige Bewegung der militanten Verschwörungstheoretiker unterhalten und kamen dann auch auf diesen Jebsen zu sprechen, der die Antilopen-Gang verklagt hat, weil sie einen großartigen Text geschrieben haben.

Keine Ahnung, was ihn dazu gebracht hat, aber offensichtlich fühlte sich der Mann im Song direkt angesprochen.

Aber auch in unserer kleinen Runde spaltet Barbies Exmann die Gemüter. 

Die einen hassen ihn, die anderen finden ihn lächerlich, wieder andere finden ihn menschlich abstoßend, noch andere halten ihn für dumm oder wahnsinnig. Einen regt er sogar zum Nachdenken an.

Mit Recht, wie ich finde. Zu Wort käme man ja bei ihm eh nicht.

Spontan hatte ich mich gefragt, was man wohl anstellen muss, damit man bei einem Radiosender rausfliegt. (Sorry, Martin Kesici. Aber diesmal meine ich nicht dich.)

Aber bei weiterer Recherche sondert die Vita dieses Aufklärers schon einen ziemlich Mix aus Irrsinn und Antisemitismus ab. 

Fürsprecher von Bushido, nachdem er Israel das Existensrecht absprach. 
Der Holocaust sei ein PR-Gag, der Anschlag auf das WTC ein „warmer Abriss“ gesteuert wie sämtliches Weltgeschehen vom CIA…

Jeder muss für sich selbst entscheiden, was er glaubt und vor allem wem er es nicht glaubt.
Ehrlich gesagt, halte ich es nicht lange aus, mir seine Statements anzuhören, wo Opfer in die Täterrolle gedrückt werden, wo mit passiven Methoden Hetze betrieben wird. Möge sich jeder selbst ein Bild machen.

Es gibt viel zu viele Beispiele in den letzten Einhundert Jahren, auch in Europa, wo Kriege, religiöser Fundamentalismus, Gier und Machtbesessenheit die Menschen ins Unglück gestürzt haben. 

Aber es ist der falsche Weg, in solchen Konflikten stumpf Partei zu ergreifen, denn es gibt stets Opfer auf beiden Seiten. 

Auslöser sind immer radikale Minderheiten, die niemals repräsentativ für ihr Volk sein können.

Leute wie Elsässer, Mährholz und Jebsen greifen die konkreten Probleme ihrer Anhänger auf und erklären sie mit abstrakten Theorien. Da der Unzufriedene nicht gerne selber denkt, nimmt er den Schwachsinn gerne an, bekommt dadurch ein konkretes Ziel für seinen Unmut und wird in eine Spur gedrängt, die zu allem führt, nur nicht zur Veränderung oder Verbesserung seiner Lage.

Aus Protest geht man nicht wählen, da ja sowieso alles „gesteuert“ wird. Aus Wut wird alles boykottiert, das Eigeninitiative, Mitgestaltung, und dadurch Veränderung, bewirken könnte.
Man beruft sich auf Machtlosigkeit und wird so zur Spielfigur der Verschwörungsgurus.

Wie kommt das nur, dass auch halbwegs intelligente Leute diesem Irrsinn anheimfallen?

Werfen wir zunächst einen Blick auf das Patriotenpack.

Schauen wir uns deren Eltern an.

Der eine Typus hält sein Umfeld für das „wahre Deutschland“. Dazu zählt der Karnevals- oder Schützenverein genauso wie das Schrebergartenghetto an der Ruhr. Dass die Hälfte der Namen aus ihrer Elite so ähnlich wie „Kowalsky“ klingt, hält sie nicht davon ab, ihren Kindern Angst vor Überfremdung,  Islamisierung und vor Machtlosigkeit zu vermitteln.
Der andere Typus schlägt Profit aus der Angst. Der warnende Zeigefinger wird gar nicht mehr gesenkt, und jeder, der weniger besitzt, wird zum Feindbild. Gelebter Kapitalismus geht eine Symbiose ein mit unterdrücktem Faschismus. Das Motiv „Gier“ wird zur Motivation, zu hassen. Die Beratungsresistenz ist erlernt. Gepaart mit fundierter Schulbildung prädestiniert man sich eher zum „Führertum“, denn zum Mitläufer oder Schlägertrupp.

Da ist es für deren Kinder nur noch ein kleiner Schritt zum Rechtspopulisten. Gehirn ausschalten. Ab zur Frauenkirche.
Heute brennen Asylantenheime, morgen Bücherberge. Bald sind es wieder Menschen.
Langsam verstehe ich, warum das Ding „antifaschistischer Schutzwall“ hieß. Vierzig Jahre haben sie sich für dumm verkaufen lassen, heute verarschen sie sich selber.

Kens Jünger hingegen stecken oft in einer Sackgasse. Mit dem Defizit des klaren Hinterfragens und eigenständigen Handels, erkennen sie zumindest, dass nicht alles perfekt läuft im eigenen Land.

Unzufriedenheit als solche ist schon legitim.

Aber sich mit Rechtsradikalen, Antisemiten, Hetzpredigern und Xavier Naidoo auf eine Bühne zu stellen, ist kaum zu tolerieren.


Da würde selbst Exit vor Mitleid gerne noch einen eigenen Spendenmarathon bei KEN FM ins Leben rufen.