Sarkasmus ist keine Einbahnstraße
Und der Zyniker
wohnt stets in der Ironiestraße. Alles schön und gut. Aber heutzutage ist es
nicht mehr ganz ungefährlich, ein Zyniker zu sein. Zynismus bereichert ja die
Ironie noch um dieses Quäntchen Rücksichtslosigkeit, gibt dem Ganzen einen
Schockeffekt, aber natürlich weiß jeder, dass die Bemerkung nicht ernst gemeint
ist. Man unterwirft durch Kommunikationsvortäuschung einen Sachverhalt seinen Privatbedingungen. Wenn man in meinem
Job an einem Anreisetag nach München gesagt bekäme, die Sattelschlepper müssten
noch ausgeladen werden, würde das ja auch keine Sau glauben. Verzerrt lächelnd
würde man vielleicht noch ein zurückhaltendes „Sehr witzig…“ hervorbringen und
das dritte Bier öffnen. Wäre die Antwort des Auftraggebers jedoch ein wenig
erfreutes: „Los! Zack, zack!“, hätten wir hier unter Umständen ein Problem. Es
wird hier Ironie unterstellt, die vielleicht gar nicht da ist.
Wenn mich ein
Freund aus China fragen würde, warum wir uns heute, am 25.Dezember, so sinnlos
den Bauch vollschlagen, wobei das die einzige Tätigkeit des Tages ist, und ich
würde antworten: „Weil heute vor 2013 Jahren der Typ geboren wurde, den sie mit
30 Jahren an ein großes Holzkreuz geschlagen haben, wo er auch starb. Aber nach
drei Tagen war er wieder lebendig, und seitdem wurden in seinem Namen Völker
unterjocht und Religionskriege geführt. Das
ist ja keine Ironie. Oder? Bestimmt würde der chinesische Freund es aber so
interpretieren, es wahrscheinlich sogar als sarkastisch auffassen Gefährlich
wird es aber beim umgekehrten Fall. Dann spräche man vom Misslingen der Ironie
im Verstehensmodell.
Möglichkeit 1 – Die Wissensstände sind nicht geteilt
Beispiel: „Vielleicht
wird sich der Wohlstand wandeln, aber so, dass wir es nicht als Verzicht
erleben werden…“ Angela Merkel Super. Wenn das mal nicht ironisch gemeint war.
Nur das Volk wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es Wohlstand erlebt. Deshalb
hat wohl keiner gelacht.
Möglichkeit 2 – Der Adressat weiß doch nicht um die
Geteiltheit des Wissens
In unserem
Beispiel würde das bedeuten, das Volk hielte die Merkel für dermaßen
bescheuert, dass sie gar nicht realisiert, dass es den Wohlstand nicht gibt,
und empfindet fast Mitleid für so eine Inkompetenz.
Möglichkeit 3 – Der Adressat ist nicht in der Lage,
die Intention des Senders mit seiner Ironie zu konstruieren
In unserem
Beispiel wären das alle CDU-Wähler
Alles in allem
die häufigste Art, wie man mit Zynismus scheitert in der modernen, aber ebenso
verblödeten Gesellschaft. Auch als einzelne Person kann man sich durch eine
einzige missverstandene Bemerkung ins Abseits befördern. Obwohl man nur witzig
sein wollte, schießt man sich mit einem einzigen Satz in die Umlaufbahn um eine
tote Sonne. Ist einem Freund neulich so passiert.
In einer lustigen Männerrunde sprachen wir über Kinder und Haustiere. Da sagte Jürgen plötzlich: „Einen Hund oder Kinder anschaffen? Den Teppich versauen oder das Leben!“
In einer lustigen Männerrunde sprachen wir über Kinder und Haustiere. Da sagte Jürgen plötzlich: „Einen Hund oder Kinder anschaffen? Den Teppich versauen oder das Leben!“
Jürgen war der
einzige ohne Kinder in dieser Runde. Dem eisigen Schweigen folgten wüste Beschimpfungen,
und auch mein Einlenken, der Teppich wäre doch in keinem Fall zu retten, konnte
den Streit nicht schlichten. Als ob man einem Muslim eine Mohammed-Karikatur
vorhielte.
Kinder
übrigens, sollte man von Ironie verschonen. Das packen die nicht. In gewisser
Weise ist Ironie auch ein Abwehrmechanismus, bei dem einer, sich nicht
traut, seine Botschaft direkt auszusprechen. Er sagt das Gegenteil von dem, was
er meint. Das hat in Diktaturen schon vielen Regimekritikern das Leben
gerettet. Mit einer Prise Sarkasmus gewürzt kommt das mitunter ganz gut an
beim jeweiligen Publikum, und man selber ist fein raus, denn man kann sich
herrlich hinter seinen Worten verstecken.
Es gibt
allerdings Menschen, die sind so gestört, dass sie gar nichts ernstes mehr
sagen können. Und dann verliert man sehr schnell das Feingefühl für die Grenzen
des guten Geschmacks. Zum Beispiel sollte man nicht so etwas sagen wie: „Endemol
ist die Rache für die Gräueltaten der Nazis in Holland…“ Das ist fies und
geschmacklos. Außerdem gibt es immer Leute, die so etwas glauben. Und die
werden nicht weniger. Also beherrscht Euch. Ich muss es ja auch.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen