Samstag, 21. März 2020

Bleibt gesund

Bleibt gesund. Gefällt mir besser als jedes geheuchelte "Schönen Tag noch..."

Heutzutage meint man das Ernst. Zumindest nehme ich es so wahr.


Wahrnehmung ist immer subjektiv. 
Fast jeder hat in seinem Leben Dinge verkackt und wurde von jemandem, der indirekt oder unmittelbar davon profitiert, getröstet mit den Worten: „Wir handeln alle nur unter Druck.“ 

So ist es ja letzten Endes auch.

Aber es kommt auch auf die Situation an. 

Geschichte ist Kontext. Heutzutage erscheint der gesellschaftliche Kontext als Summe aus verallgemeinernder Verachtung und blasierter Egozentrik. Aber davon bleibt die eigene Perspektive unberührt.

Tausende Kolleg*innen aus der Eventbranche haben jetzt gerade das gleiche Problem, aber jeder einzelne Mensch erlebt dieses - verzeiht das Wortspiel - „historische Event“ aus dem individuellen beruflichen und sozialen Umfeld.

Der Kontext ist gekleidet in einer unfassbar miesen Arschloch-Pandemie, die der ökonomischen Ouvertüre ganz eigene Vorzeichen verleiht und deinem persönlichen Schicksal die Blue Notes für den Soundtrack deines Lebens.

Wenn es nur eine Wirtschaftskrise wäre, würde es ja nicht alle auf einmal erwischen.

Jetzt gerade bist du ein potentieller Killer, wenn du dich mit Leuten triffst, um dich auszuheulen. Geschweige denn arbeiten. Auf Events. Am besten auf der AIDA. Ghostship.

Es gibt Kolleg*innen, die haben vorbildlich Rücklagen und/oder ein zweites Standbein, zum Beispiel als Tischler beim Bestatter oder als Casebauer.

Andere haben das nicht, weil es die Lebensumstände nicht zulassen oder man eine längere Zeit krank war oder sonst was.

Einer ist selbständig, der andere ist festangestellt. Auch zwei unterschiedliche Perspektiven.

In jedem Fall hinterlässt man keine gute Visitenkarte, wenn man blasiert und unwissend in der Wüste der Social Media über Kolleg*innen herfällt, die

- sich nicht für unsere Branche eine Lobby wünschen, da man ganz klar den Lobbyismus als das Krebsgeschwür unserer Wirtschaft erkannt hat und lieber die Politik in eine Richtung lenken möchte, wo soziale Gerechtigkeit für die Wirtschaft eine Rolle spielt.

- dir sagen, dass du sowieso nicht in einer signifikanten Art und Weise vom Staat entschädigt wirst.

- der Meinung sind, dass der Job eines Eventtechnikers oder Messebauers auch nicht besser ist als der eines Taxifahrers, Reisebürokaufmanns, Gärtners, Gastro-Bobs oder jedes anderen Erwerbstätigen aus „nicht systemrelevanten“ Bereichen. So sieht das übrigens auch die Regierung.

- keinen Bock auf Verbände hat, die ergebnissoffen debattieren und schwebend unwirksame Lösungsansätze propagieren.

Was erwarten wir? 

Erwarten wir nicht von einem Sozialstaat, dass er grundsätzlich sozial handelt?

Auch wenn die Regierungsarbeit der letzten 20 Jahre einen riesigen Haufen Probleme hervorgebracht hat, leben wir in einem der reichsten Länder Europas und es wird sich bestimmt ein Weg finden, die Situation von staatlicher Seite zu kompensieren, während wir gepflegt auf die „schwarze Null“ scheißen. 

Wir sollten uns künftig nicht mehr von „schwarzen Nullen“ regieren lassen. Auch nicht von blauen Nazis.

Die Branche liegt auch ohne Pandemie längst am Boden. Deshalb gibt es kaum Headroom, weder für Einzelunternehmer noch für große Firmen. Als Angestellter fängt der Staat einen Teil ab, aber als Freelancer sieht es schlecht aus.

Nach dieser Krise wird die Welt eine andere sein?

Weiß ich nicht. Aber fest steht, dass eine Menge Menschen gestorben sein werden und viele Überlebende damit klar kommen müssen und auch mit geänderten Lebensbedingungen.

Wir schränken gerade Freiheiten und Grundrechte ein, die in Jahrzehnten hart erkämpft worden sind und zu Recht als wertvolle Güter unserer Gesellschaft galten.

Können wir garantieren, dass hinterher alles so wird wie vorher? 

Können wir davon ausgehen, dass der Diskurs als solcher, der von vielen mit dem moralischen Deckmantel namens „Wir haben keine Wahl“ sämtliche Fragen und Bedenken mit Shitstorm und Beleidigungen vom Tisch gefegt wird, hinterher noch besteht? 

Und ich meine nicht diese unsäglichen Verschwörungstheorien. Ich rede von grundsätzlichen Fragen zu den Entscheidungen unserer Regierung und denen der Europäischen Nachbarn, wo sich faschistische und totalitäre Staatsführer dank Corona gerade bis auf die Knochen durch ihre Unfähigkeit blamieren.

Guckst du hier:

Es ist zu Recht Kritik an der Regierung angebracht, die viel zu spät angefangen hat, die richtigen Maßnahmen im Hinblick auf die Geschehnisse in China und zuletzt in Italien zu ergreifen.

Stattdessen wird die peinliche Worthülsensammlung unserer Kanzlerin positiv bewertet, statt dass man erkennt, dass hier mal wieder pure Verzweiflung und Schadensbegrenzung die Komponisten der Musik sind.

Das hier spricht mir aus der Seele:

Dieses Pandämonium, das Mutti ihr Kabinett nennt, hat ja heute noch nicht begriffen, wie es geht.

Wenn man sich den Zustand unseres Gesundheitswesens ansieht, bekomme ich Angst. Meine Frau steht an oberster Stelle bei den Risikogruppen. Und eigentlich kratze ich selbst altersbedingt an dieser Grenze. 



Ich wünsche mir folgendes, falls wir das alles überleben:

Solidarität beibehalten. Respekt und Achtsamkeit leben. Ein Menschenleben ist das höchste Gut.

Politisches Engagement entwickeln und unsere Gesellschaft mitgestalten, damit wir die Betonköpfe loswerden, die uns jetzt „regieren“.

Für unsere Branche:

Ich würde mir wünschen, dass Wertschätzung wieder an erster Stelle stünde und nicht der Deckungsbeitrag. Motivierte Menschen leisten so viel bessere Arbeit und im Nu würde es sich bezahlt machen.

Kalkuliert höhere Preise und beziffert endlich den Wert unserer Arbeit in einer Form, die dem Ganzen gerecht wird. Nichts gegen einen Klempner, der im Durchschnitt den dreifachen Stundenlohn einfährt.


Und bitte bleibt gesund!


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